11. November 2024, Montag

Hassfrage „Haben Sie eine Deutschland-Karte?“ (Edeka). Ich kriege dann immer einen ganz doofen, altmodischen, längst nicht meinem intellektuellen Niveau und auch nicht meiner Gefühlslage entsprechenden Deutschland-Hass, so Blödmann-Punk um 1980: „Watt denn, scheiß Deutschland-Karte? Nie wieder Deutschland, hähä.“

Es ist so krass, was Caren Miosga und Olaf Scholz da beim gestrigen Ultra-Unterhaltungs-Show-Talk in der ARD geleistet haben, wirklich: beide. Es gibt, wie immer im Fernsehen, wenn es flutscht, fast zu viele Pointen, zu viele Higlights, zu viele auf Instagram verwendbare Zehn-Sekunden-Schnipsel (Problem Fernsehen allgemein: Es ist immer alles auf die Lacher, den Show-Moment, den „Das war Spitze“-Moment mit Hans Rosenthal angelegt), aber dann ist es doch einfach: zu brisant. Entschuldigung, aber der eine der beiden ist ja offenbar unser Bundeskanzler, dem gerade die Regierung auseinandergeflogen ist (bzw: der seine eigene Regierung gerade gesprengt hat, wie es Scholz-Gegner sehen und sagen würden) — das will man schon einfach hören, was er sagt. Und das ist Caren Miosgas hohe Kunst: Dass sie, im Live Talk immer wieder am Scheideweg stehend zwischen Entertainment und dem im Sinn von classic journalism verwendbaren Quote, sich in vier von fünf Fällen für das Zitat/ für den Journalismus entscheidet und gegen die klassische TV-Unterhaltung, gegen die Pointe. Ein journalistischer Coup liegt ja schon einfach darin, am Ende der Trump-wieder-da-Ampel-weg-Schocker-Woche dann wirklich den Kanzler in der abendlichen Sendung sitzen zu haben. Miosga: eine Frau im richtigen Beruf. Miosga immer auch: die flirtende Frau. Ist das gut oder eher schlecht? Sie kann es jedenfalls gewinnbringend einsetzen. Es macht auch jedenfalls Freude zu sehen, wie sie sich von Sendung zu Sendung immer — jetzt hätte ich fast gesagt — immer lockerer macht (Nein! Nein!), also einfach immer wohler fühlt, also: auf immer mehr sehr schöne professionelle Intuition zurückgreifen kann. #professionalism 

Und weiter: Was ist eigentlich mit Scholzens‘ Augen los? Er sieht ja aus wie jemand, der in Tausend Metern Tiefe unter der Wasseroberfläche leben muss, wirklich so mit Tausend Tonnen Wasser auf dem Kopp. Braucht er einfach mal wieder ein gutes Bett im Schweizer Engadin und acht Stunden Schlaf? (Wer braucht das nicht, sorry, sorry).

Eine wirkliche gute Frage erkennt man daran, dass sie mit einem einfach Ja optimal und gleichzeitig absolut sensationell gut beantwortet ist. So in Minute 13 der Sendung, als die vielleicht schönste politische Frage des Jahres 2024 fällt und die Fragenstellerin in einen ganz und gar ungespielten, ganz echten Zwei-Sekunden-Lachanfall ausbricht:

Miosga: „Wenn ich das nächste Mal jemandem schwere Vorwürfe machen möchte, würden Sie mir raten, dass ich diese Vorwürfe vom Zettel ablese, so wie Sie Ihre Wutrede vom Prompter abgelesen haben?“
Scholz: „Ja.“  
Miosga: „HAHAHA.“

Mist, bissl müde heute, die 28 1/2 Stunden Autofahrt von Paris über Zürich nach Oberfranken (es waren 13 Stunden, aber das reicht auch) waren — anders als man es beim Fahren empfindet — doch nicht nur schön und erholsam.

Vermisst werden, in so einer herrlich grauen und nassen und vernebelten November-Woche im Wald:
Martin Purwin.
DJ Hell.
Sabrina Dehoff.
Till Helmboldt.
Bruno Brunnet.
Bessim (Paris Bar).
Adam Soboczynski.
Paul und Carl Seehausen, Zehdenick.
Mein Tante Eli, auch Gabriele Thiessen Frfr. von Zedlitz und Leipe, (1947, Landshut bis 2024, Hamburg).
#Normalität

Gelesen werden müsste: Julien Green Treibgut, Roman, Hanser, München 2024 (329 Seiten, dann gleich drei Nachwörter, oder wie ist das?, editorische Notizen, Anmerkungen). Nicht rumjammern, heulen. Einfach hinsetzen, Licht an, vor dem Lesen Zähne putzen ist auch immer nicht schlecht, los.