13. Mai 2025, Dienstag
Gestern zum ersten Mal in meinem Leben Gartenarbeiten gemacht. Es war nicht so schlecht. Genauer: Es war vielleicht das Schönste, Lohnenste, Friedlichste, das ich in diesem Leben bisher gemacht habe.
Ich kniete auf den Pflastersteinen an der großen grauen Hausmauer; und ZOG — mit viel Gefühl und den bohrenden Drehbewegungen einer kleinen, spitzen Schaufel — den Löwenzahn mit möglichst viel weißer, nackter Wurzel aus der Erde zwischen den schon überwachsenen Steinen (natürlich mit dem fast schon zu poetischen Vergeblichkeitsgefühl, das jeder kennt, der einmal Löwenzahn gejätet hat: Der Löwenzahn ist stark, und er wird wiederkommen, und dir, Menschendepp, schmerzen noch tagelang die Knie). Neben mir ein rosafarbener Plastikeimer; und die Schubkarre in einigen Metern Entfernung. Und ich spürte, wie der Respekt der Leute wuchs, die bei uns am Hof wohnten und beim Einfahren in die große, gekieste Einfahrt auf den knieenden Mann zu Fuße der Hausmauer guckten: Jetzt macht er zum ersten Mal etwas Sinnvolles. Jetzt kommt er an.
Heute brachte dann Herr Randolph, unser Mann im Wald, wohnhaft in 08523, Plauen, Ostvogtland, drei Ausgaben der Zeitschrift SUPERILLU bei mir vorbei — das Zentralorgan der nach dem Mauerfall zwischen totaler Freiheit und dem totalen Videorekorder taumelnden DDR. Er hatte das nebenbei erwähnt, dass er die selbstredend, in den Nachwende-Jahren gekauft, gelesen und — mit seinem untrüglichen Gefühl für Historisches — gesammelt und bis heute aufgehoben hatte. Ich hatte „Bringen Sie mir da mal drei Ausgaben mit?“ gesagt, und so etwas muss man Herrn Randolph, dem mit allen Wassern gewaschenen Cowboy aus Sachsen, nicht zwei Mal sagen, er hat sie dann schon am nächsten Tag dabei. Genaue Blattkritik von drei Ausgaben Superillu aus dem Jahr 1990: hier demnächst in Ihren Meldungen aus dem Wald.
In Glossar der 100 Jahre The Great Gatsby Ausgabe im Manesse Verlag gelesen, die so vollkommen glücklich macht. Der krasse Kritiker Edmund Wilson liest Fitzgerald, dem lebenslangen, alten Freund, in den Wochen, in denen ein Schriftsteller am verletzlichsten ist — in den Wochen gleich nach Erscheinen — die Leviten. Tenor: Das hat du gemacht, Scott, hier machst du endlich mal das richtig, das man dir bei den letzten Romanen, zu Recht, vorgehalten hat (too much wuschige Hochbegabung, zu vergnügtes, flapsiges Drüberwischen). Dann: „Ich wünsche mir (…), dass Du Dir für Dein nächstes Buch ein sympathischeres Thema wählst. Nicht, dass ich Gatsby nicht bewundere, (…), aber Du musst doch zugeben, es hält uns alle im Käfig mit den Hyänen gefangen.“ Und man denkt als Leser sofort: Er hat ja recht, auch The iconic novel, der beste amerikanische Roman aller Zeit oder wie das heißt, kann und muss kritisiert werden!
Fahrt nach Hamburg. Zu viel Busse, Züge, Mietwagen in diesen Wochen. Ich dachte: Reisen ist immer gute fürs Gehirn, aber das stimmt natürlich auch nicht. Ich brauche dringend drei, vier Tage Nichtstun und, ja, Gartenarbeit im Wald.