19. Juni 2024, Mittwoch
Uralte, zugegeben schon sehr oft gestellte Frage: Warum sind Zürcher (vor allem Männer, nicht die Frauen, nicht die Zürcherinnen) alles mögliche — austrainiert, ambitioniert gekleidet, nach neuesten kalifornischen Hysterie-Psycho-Standards ernährt, immer mit den laufenden kulturellen und popkulturellen Entwicklungen vertraut, dauernd im Flugzeug (Mailand usw.), politisch auf absolut korrekten Feldern unterwegs (nicht rechtsradikal, nicht zu nervig ökologisch korrekt), alle Grafiker, Hipster-Bar- oder Agentur-Inhaber, aber eben, berühmtes Thema, kein bisschen cool, also auch nicht nur einen Hauch SEXY in einer gut verwegenen, gut asozialen, irgendwie gut angerockten kreuzbergerischen Art? Es ist ja wirklich so, Haha, und jeder in Zürich und anderen europäischen Städten weiß das.
Simple Antwort: Es fehlt ihnen ein bisschen Armut, nur eine Prise davon, das Salz des finanziell leicht Ausgegrenzt-Seins, der Hauch einer Ahnung davon, dass die nächste Heizungsrechnung, der nächste Einkauf, das nächste Paar Daddy Sneaker nicht ganz automatisch schon bezahlt ist, es fehlt ihnen die Erfahrung, die man mit 18, 19, 20 zumindest für ein halbes Jahr idealerweise mal gemacht hat, wie das ist, als MITTELLOSER MANN durch den Tag zu gehen (am besten keine feste Wohnung, Jeansjacke und Chucks in Sommer und Winter, Lieblingsessen Golden Toast mit dem guten Schabefleisch von Rewe, die Krankenversicherung schickt Mahnungen, die Zigaretten müssen von Kumpels zusammengeschnorrt werden). Denn, noch ein sehr simpler, bissl kitschiger Gedanke: Nur der Mittellose kann was – nur der noch nicht mit dem ganzen Besitz-Müll Belastete/ Vollgestopfte kann den wirklich durchschlagenden shit erschaffen. Ausnahmen gibt es, klar. Die anderen stecken zwischen ihren Alessi-Toastern, Aesop-Flaschen und den üblichen Mid-Century-Wohnzimmersessel-Glücksgriffen fest, der „sonnendurchfluteten Altbauwohnung, der g‘schissenen“ (Helmut Dietl), den Lastenfahrrädern und E-Bikes und den vernünftigen Autos, und lustig, es ist alles bisschen wurscht, denn das Leben ist ja komfortabel.
You can not fake it. Nobody can fake it. There is: no Entrinnen. Ich spreche natürlich: aus Erfahrung. Ich spreche natürlich: von mir selbst. Deshalb ist es — ha, hier spricht ein Meister der banalen Erkenntnis — natürlich, so ab dem 33 Lebensjahr, die Frage, wie man vom Angesparten, Angesammelten, vom so genannten Lebensstandard wieder runterkommt, wieder hin zur Einfachheit des Jeansjacken&Chucks-Lebens. Kleiner Tipp: Es haut nicht hin, es kann nicht gutgehen, man hat sich, als kluger Mensch, damit abzufinden, dass man abbaut, dass man fett und unbeweglich wird. Aber man hat darüber schon ein bissl traurig zu sein, das auch, so wie man überhaupt immer Grund hat und goldrichtig damit liegt, ein bissl traurig zu sein und sich nicht all zu großartig zu fühlen, haha. Sorry. SORRY.
Und, noch mal: sorry. Ich habe noch nichts getrunken.
#Normalität
#RiesenthemaÄlterwerden
#Paul sagt
Deutschland führt zur Halbzeit gegen Ungarn mit einem total verdienten 2:0.