22. September 2024, Sonntag
Poetikvorlesung, eine sehr kurze, wie folgt, in einem Absatz: Der Vorgang des Schreibens — was da konkret beim Wörtertippen in meinem Kopf und im ganzen Körper passiert —, das drückt sich für mich seit frühester Kindheit in der Arbeit, in den Bewegungen des DIRIGENTEN aus, als unser Vater uns, manchmal an zwei Abenden hintereinander, in die Philharmonie mitnahm und ich viel Zeit auf Wohnzimmerteppichen sitzend mit dem Betrachten von Deutsche-Grammophon-Plattencovern verbrachte (wirklich: stundenlanges Halten von DG-Covern und da draufstarren, es sind die Jahre 1976, 77, 78, während die Musik sich auf dem knisternden Plattenspieler abspielt).
Er, der Dirigent, leitet sein Orchester, er gibt die Einsätze, hebt und drosselt die Tempi, legt den Schwung, die Bögen an, setzt die Akzente, gibt rein, nimmt raus, drückt, beruhigt, zieht hoch, faded runter, führt raus, zeigt die Ausgänge und den Fortgang, ist ein furchtbarer Diktator und Bestimmer und gleichzeitig ein ganz einfühlsamer, genauer, freundlicher Freund, konstruiert ganz maßgeblich und live von seinem erhobenen Pult aus, in die Instrumente und die Gesichter der Musikerinnen schauend, den SOUND, die Musik, the rhythm. Und so, sorry, wie der Dirigent habe ich eben auch schon als knapp 19jähriger, bei ersten journalistischen Versuchen, das Leiten der Worte und das Dirigat des Textes erlebt — I heard the music vividly in my head, while I was holding the Takt und wedelte da, sicher auch ein bisschen theatralisch (warum auch nicht, it is art, Baby), über dem Computer mit geöffneten Händen, die Zigarette in der rechten Hand, gerne Baseball-Kappe und Schuhe mit Ledersohlen tragend (gab Halt), soweit mein Schreiber-Aberglaube (naturgemäß sehr stark), die Asche auf der Computertastatur und auf dem Schreibtisch verteilend. Bis heute ist es, das Dirigat des Textes über dem geöffneten MacBook, ganz intuitiv ein Teil des Vorgangs des Textherstellens.
Urtypen des Dirigenten, die in wundervoller, absolut vorbildlicher Art und Weise den Sound leiten und DIE SACHE ZUSAMMENHALTEN: nicht der doofe Karajan (zu eitel, zu viel schwarzer Rollkragenpullover und doofe silbergraue 50er-Jahre-Tolle), obwohl der so oft auf DG-Covern war und ich ihn auch als Kind eventuell, bin nicht ganz sicher, ein paar Mal gesehen habe. Eher: der junge Carlos Kleiber (auf Plattencovern) und dann später (1973?), live, wie er den Rosenkavalier mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper aufführt und sich, berühmte Szene, nach ein paar Takten, lächelnd in die filigrane Metallbrüstung seines Dirigentenpults zurücklehnt und, das große glückliche Carlos-Kleiber-Lächeln im Gesicht, die Hände und den STAB sinken lässt, weil er weiß, die sind jetzt so gut, das haben wir so oft geprobt, das läuft jetzt hier einfach, bei der Premiere und der Videoaufnahme, von alleine.
Er, super writing Uslar, hat nicht so viel mehr als den Rhythmus, aber — sorry, sorry — DEN habe ich (Melodien waren mir immer eher egal).
Erster Stopp: Weiden, Oberpfalz.
Der Flixbus fährt heute von Hof nach München. Meine Flixbus-Liebe: fast grenzenlos. Der Bus ist voller Kapuzenpullover-Teenager, die nach köstlichen Billigparfums riechen.