24. Januar 2025
Ulf Poschardt bei Instagram: die angeschwollene Halsschlagader des Populisten. Jetzt, mit dem Schwung des wirklich spektakulären Erfolgs seines selbstverlegten Buches, kommen die ganzen niedrigen und bösen Gefühle der letzten Jahre hoch, all die Kränkungen und Zurückweisungen, denen so einer mit seiner enorm polarisierenden und angriffslustigen Agenda immer ausgesetzt war, kommt die ganze Verachtung, die ja vor allem eine Verachtung für eigenen Berufszweig ist, den Journalismus, als großer SCHWALL HASS aus ihm heraus.
„Der Welt-Herausgeber findet klare Worte“: Die Migranten müssen’s noch mal machen, sie sind erneut und besonders nach der Messerattacke von Aschaffenburg noch mal an allem schuld — an der AfD, am Rechtsruck, am Erstarken der rechtsextremen Parteien in ganz Europa, am Vertrauensverlust der Leute in die Demokratie, am wirtschaftlichen Niedergang, an der Globalisierung, wahrscheinlich auch daran, dass Trump in Europa zu wenig amerikanische Autos verkauft, überhaupt an allen Gefühlen der Überforderung, Orientierungslosigkeit, der Minderwertigkeit und der ganz allgemeinen und sehr konkreten Verwirrung, „es kann nicht sein“, dass der (der Flüchtling) immer noch da war, „Danke und Tschüss“, die Flüchtlingspolitik der Angela Merkel, so Ulf Poschardt, hat Europa gespalten, sie hat England in den Brexit geführt (what??!).
Mit beispiellosem Angewidertsein — ich habe das natürlich schon oft, aber selten so verbittert, so verachtungsvoll gehört — haut Poschardt auf „die Medien“ ein, den Berufszweig, dem er selbst seit gut drei Jahrzehnten angehört, von dem er sich ausgegrenzt, nicht gehört, nicht geachtet, nicht ernstgenommen fühlt (kann ihn hier nachvollziehen, es stimmt schon) und in dessen trostlosester und dunkelster Ecke (Springer) er, mehr oder weniger ungehört, nun auch schon seit vielen Jahren Alarm schlägt und das sich stetig weiter radikalisierende, jetzt kurz vor Kopfplatzen stehende Rumpelstilzchen gibt.
Und die Leute applaudieren, sie mögen es, wenn ein prominenter Journalist, Theoretiker und Intellektueller, ein ehemals orthodoxer Linker (früher Marxistische Gruppe, heute rechte FDP, also der sehr deutsche Weg), ein aus der fränkischen Methodisten-Prediger-Hölle stammender Protestant, wenn der sich gehen lässt und, wider seinen Verstand, einfach nur brachial und asozial raushaut, denn darum geht es, Härte, Durchgreifen, Maßnahmen, jetzt einfach die unsagbaren Sachen sagen, und es ist auch egal, was davon dann konkret umsetzbar ist, wenn Merz und Weidel dichte Grenzen fordern — es ist keine Zeit für „Erbarmen“ (Bischöfin Mariann Edgar Budde, Washington), keine Zeit für Europa und das im Grundgesetz garantierte Grundrecht auf Asyl, keine Zeit natürlich mehr, an Vernunft, Verstand oder gar die Würde des Menschen zu appellieren. Es ist die Zeit für Journalisten, die — auf das wahnwitzige Messerattentat eines ausreisepflichtigen Afghanen — mit blinder Emotion und MIT EINEM WUTANFALL reagieren.
Grauenhaft.
„Kudos @ulfposh, so sieht heiliger Zorn in Reinform aus. Ein leuchtender Fanal der Vierten Gewalt“ (so Angela Richter auf Insta). Willkommen in der Hölle, lieber Ulf, in der die Helden und Anführer Peter Thiel, Elon Musk und Curtis Yarvin heißen und neuerdings dann auch, weil das einfach so geil radikal ist und vom linksgrünen Gegner sanktioniert wird, Donald Trump. Man steht, begibt man sich einmal dort hinein, schnell knietief drin in der Scheiße, der Hetze, dem Wahn, dem Freiheitspathos, der Erzählung einer Einheitsdiktatur aus Staatsdienern, Staatsmedien und einer faktischen Einheitspartei und einer roten Pille, die der schlucken müsse, der die Wahrheit sehen wolle, und als Konsequenz aus der quasireligiösen Erleuchtung: Disruption, die autoritär-libertären Entfesselung. Da findet man, ist man da einmal drin in diesem wirren Ultra-Unsinn und in Gesellschaft dieser Höllenhunde, wohl einfach nicht mehr heraus.
Und klar, einer, der hart austeilt, ist selbst enorm empfindlich, was Kritik, was Zurückweisung angeht. Er muss dann immer gleich blockieren. In Ordnung, lieber Ulf, just do the Blockier thing, ist doch okay. Wir müssen aus diesem sehr, sehr dunklen, diesem selbstmörderischen Kapitel irgendwie wieder rauskommen –– hoffentlich nicht wieder mit Weltkrieg, nicht wieder mit Massenmord. Die AfD steht bei 20,2 Prozent. Die Deportationen in den USA laufen gerade an.