6. Dezember 2024, Freitag

Regelmäßige Leser von MadW fordern immer wieder: Die Sex-Schiene darf bitte nicht einschlafen im so breiten und ultraheterogenen Themen-Spektrum, das du hier bearbeitest — du musst liefern, Moritz! Oder, noch direkter: Wann schreibst du endlich mal wieder über Sex?

Erstmal: Ich verstehe euch, Leude. Vielleicht so viel: Die Größten unter den schriftstellernden KollegINNEN sind beim Thema Sex in die Knie gegangen, da fallen einem auf Anhieb sechs, sieben, zehn Schreiber ein (Maxim Biller, sorry), es ist nicht einfach — ein wenig wie über Kochen oder über Körperpflege schreiben. Letztlich: Wen interessiert’s? Euch? Sie? Sind Sie sicher?

Gleichzeitig, das verstehe ich schon: Diesen Blog gibt es ja auch, da ein Schreiben jenseits von ZEIT Online und seinen Korrektheitsgrenzen möglich sein und ausprobiert und durchgezogen werden muss, von einem großen Könner und Pro (haha) wie mir, und da gehört das nicht nur angenehme Palavern des fünfzigjährigen Mannes über seinen Körper eben dazu. Das Schreiben über Sex hat hier also — richtig — die Funktion der BEHAUPTUNG VON RAUM im großen öffentlichen Text jenseits von ZEIT Online, das ist wichtig, richtig, ich möchte hier einfach meine Scheiße erzählen können, Scheiße, feddich, jetzt haben es alle (die sich über meinen Sex-Kram hier immer gewundert haben) verstanden.

Ich sage heute über Sex, ich muss da wie gesagt dranbleiben: Ich fasse fester zu mit den Jahren, ist das bitte gut, das kommt ganz natürlich, und ich bin noch ganz weit weg, das kann ich auch sagen, von irgendwelche knilchhaften, ultraspießigen, superscheußlichen SM-Praktiken, wie sie im Zwanglos II (Swingerclub in der Gneisenaustraße, Berlin-Kreuzberg) oder in den Michel-Houellebecq-Romanen kultiviert werden, da führt es überhaupt nicht hin, das bin nicht ich. Gleichzeitig — schon klar — muss man beim Über-Sex-Reden auch immer die eigenen Schwächen, die eigene Ratlosigkeit, das Faden der Kräfte mit reinnehmen, das gehört unbedingt dazu, sonst wird es unwahr oder unglaubwürdig und letztlich deswegen dann langweilig: Ich verliere beim Sex immer öfter die Orientierung, schon weil die zeitliche Dauer der Sache sich mit den Jahren immer mehr in die Länge zieht, sagen wir, im Vergleich zu meinem 21- oder 23jährigen Ich. Ich denke jetzt öfter, while doing the thing: Wo führt das hin? Soll man jetzt besser aufhören? Hätte man vor dreißig Minuten schon aufhören können? Was machen jetzt eigentlich gerade, praktisch währenddessen, die anderen Leute, die ich kenne? Und: Ist das nicht einer dieser typischen Alte-Männer-Flop-Sätze, dass der Höhepunkt (bäh, grässliches Wort) unwichtiger wird, überhaupt — bah, bäh — in den Hintergrund tritt, weil der Mann, jenseits der 53 3/4, bildlich gesprochen, anders atmet, schlendert, driftet, mit seinen Kräften haushaltet, die Aussicht genießt? Der Höhepunkt ist doch — Scheiße, Scheiße — alles!

Und weiter, weiter: Ist das excitement weiter unten als vor etwa 35 Jahren? Ich würde sagen: Die Aufregung ist ein bisschen weg (was immer schade, vor allem aber einfach angenehm ist), die Todesnähe ist faktisch größer (und man spürt es unentwegt), aber das excitement ist, wie heißt das jetzt, tiefer, schwerer, packender, wahrer, ja, genau: existenzieller, frohmachender geworden. Danke, Lieber Gott.

Kann hier ganz schwer über die Dinge berichten, die mich in diesen Wochen in meiner neuen Tätigkeit als Forstunternehmer und Mann des Waldes beschäftigen, sehr schade, es ist alles interessant, aber nicht öffentlich kommunizierbar (anders als Sex).

Und rasch: eine Lachs-Brioche für 6,80 Franken im Café Freytag auf der Seefeldstraße. Leude, Leude, Leude. Es war nie besser, es wird nicht besser, nirgends, nie.

#Husten

Am Abend: Performance in der Galerie Karma International (nicht direkt Sex, aber schon auch).

Ich bin ganz weit weg von einer Rolex GMT-Master II, die mit dem blau-roten Tauchring, die sie alle, alle immer anhaben, das wollte ich auch noch sagen. Und: morgen mehr.