6. Juli 2025, Sonntag

Eine Nacht beim sogenannten Jazz Festival Montreux.

Die Farben Blau, Gelb, Grün, Rot, Rosa und Orange stehen da zusammen auf dem Plakat des Festivals, seit etwa 1983, irgendwie so lustig und LEBENSFROH und vor allem REICH an die Achtzigerjahre und Graffiti-Kunst erinnernd (Keith Haring, Basquiat). Es ist ein Dicke-Uhren-, ein Sponsoren-Festival, literally fucked by money: sponsored by Audemars Piguet. Selten so viel aufgepumpte, pralle Menschen auf einem Haufen gesehen, ganz echt, ja: Blumenhemden tragend. Das frühe Abendessen hatten wir im Montreux Jazz Café im Hotel Montreux Palace (Tartar, wahlweise mit 200 Gramm Kaviar — hatte aber Gottseidank niemand von uns, den Kaviar —, Margaritas, Mescal, Bier, Bier, Bier).

Die Vor-Band ist dann eine aus Argentinien: Metal-Funk-Punk-Schrei-Brüll-Angeber-Blödmann-Gangster-Rap, mit Anleihen aus Netflix-Gangster-Serien. Das ist der viel geschmähte, einst sehr gefürchtete (ich zitiere ein längst vergessenes Modewort aus vergangenen Zeiten) Mainstream. Oder das, was übrig bleibt, wenn eine Umfrage in Auftrag gegeben worden wäre bei den Billionaire Party People aus der West-Schweiz, aus Katar, Bahrain, Saudi-Arabien und einigen ehemals sowjetischen Teilrepubliken (Aserbaidschan), welche Live-Musik sie gerne an einem lauen Juliabend am Genfer See hören würden. Oder noch einfacher, und exakt so sieht’s dann auch auch aus und hört es sich auch an: Kultur von Sponsoren für Sponsoren.

Interessant wäre zu sehen, wie sich die großen Namen der INDUSTRIE, die Künstler also, die Stars, im System des Kultur-Sponsorings, des Gelds-hinten-und-vorne-reingesteckt-Bekommens zurechtfinden — es geht ja nicht ums Geld selbst, das ist egal, sondern um den Geist, den die Hauptsponsoren (Julius Bär, die Kryptowährungsbörse Bitget u.a.) verbreiten: offenbar sehr gut!  

Der so called main act heute: J Balvin, Latin-Pop aus Kolumbien, billig scheppernd, auf eine Art dann aber doch sympathischer Kram vom Kontinent mit dem, haha, vielleicht harmlosesten Musikgeschmack auf Erden: Südamerika. Wir, die Geburtstags-Gang von Montreux, sind dann aber doch insgesamt sehr glücklich — es ist ein wunderbares Geschaukel, Gesinge, Getanze, Geturne und Gefeier, trotz all der Scheußlichkeit um uns herum und natürlich gerade deshalb: southamerican ecstasy, große Umarmungen, durch die verstopfte Promenade zurück ins Hotel, Champagner aus Pappbechern, irgendwo noch einen Döner reingefressen, Freude, Freude. Danke, Montreux.

Und gestern Abend eröffneten die Gallagher-Brüder das Eröffnungskonzert ihrer Welttournee in Cardiff vor 70.000 mit der Instrumentalnummer Fuckin‘ In The Bushes.