8. Dezember 2024, Sonntag
Es ist zu viel Alkohol. Aber das Thema bei zu viel Alkohol ist ja, bekanntermaßen, nicht, dass es nicht geht. Sondern wie gut es geht, für eine ziemlich lange Zeit.
Heute Morgen — es war, in diesen Zürcher Tagen, der dritte oder vierte Morgen nach einem Ein-Negroni-und-fünf-köstliche-Bier-Abend — merkte ich beim Aufwachen und beim Frühstücksei, wie meine Freshness (Körper), die ja immer auch eine Freshness des Geistes ist, dezimiert/ nicht abrufbar/ nur noch eine Erinnerung an früher war. Nicht: gut. So wie der alte, heterosexuelle Mann insgesamt ein ablehnenswürdiges und scheußliches Wesen ist (großer Arsch, dicke Nüsse, Breitcordhosen, traurige 1.000-Euro-Schuhe), so ist der alte, alkoholsüchtige Mann insgesamt eine grauenvoll durchschnittliche, langweilige, naheliegende, banale, uninteressante, scheußliche Erscheinung. Gegenmaßnahmen jetzt: einleiten. Der ältere Herr, den ich meine, hat kein Alkoholthema: fertig. Vielleicht muss man sich auch daran gewöhnen, dass die Tage des IN-LOKALEN-RUMSTEHENS gezählt sind. Der coole, ältere Herr, den ich meine, ist überhaupt nur selten am ÖFFENTLICHEN ORT anzutreffen. So wie der Hals des Herrn ab Sechzig zu bedecken ist (Schal, Plastron, Jackettkragen), so hat er seinen Körper einfach aus dem öffentlichen Raum herauszuhalten. #klarerFall. Jetzt muss ich, Hoppla, noch mal ganz neu über alles nachdenken.
Gestern bei der Lesung des Münchner Ultra-Bestsellerautors Axel Hacke im Schauspielhaus Zürich gewesen. Da gäbe es jetzt viel zu zu sagen. So viel vielleicht: Er kommt auf die Bühne, empfängt stehend und mit einem feinen Nicken und Blick-zu-Boden-Senken den auf Anhieb sehr heftigen Applaus, nimmt Platz auf dem Stuhl neben dem Tischchen und fängt sofort an zu erzählen, zu lesen, seinen extrem genau gebauten und getimten Abend abzuspulen. Kein „Ich bin Axel Hacke, guten Abend“, keine Einführung eines unbegabten Buchhändlers, Theaterdirektors, Veranstalters bla. Das war gut. Der Vorlesende Hacke ist so routiniert, dass er immer wieder Momente der Unperfektion, des Rauskommens, des Stolperns und Zögerns spielen muss — er weiß ja, dass dem Vorleser nichts so wenig verziehen wird wie Perfektion. Beim Lese-König Axel Hacke ist außerdem zu beobachten, dass ein Abend, an dem der Autor mit seinem Buch, einem Stuhl und dem Publikum allein ist, keinesfalls zu viele und zu viele brillante Pointen enthalten darf, dann bricht alles zusammen, dann sind alle genervt. Gut sind: zirka zwölf Pointen, verteilt über einen Abend von neunzig Minuten inkl. 15 Minuten Pause, nicht mehr. Von den unter zwanzig Pointen darf eher kein Moment wirklich überirdisch wild, groß, frei, unverständlich sein, drei solide gute Momente sind das absolute Maximum. Sein feines, ordentliches, sehr genau gebautes, entwaffnend einfaches Deutsch. Was Hacke macht, und auch hier ist Routine und eine große Könnerschaft gefordert: hübsche, seelenvolle Schmunzel-Momente liefern für ein Publikum, das oft 1985 zum letzten mal jung war — bei ihm handeln noch ganze Kolumnen von einem Festnetz-Telefon, auf dem versehentlich Leute anrufen, die nicht den Autor Hacke, sondern einen längst verzogenen Hals-Nasen-Ohren-Arzt sprechen wollen (okay, das ist unfair, die Kolumne erschien 1999). Der Prototyp des Axel-Hacke-Bestsellers ist das kleine Geschenkbuch, niedlich aussehend, mit rotem Einband, mit Loriot-artigen 50er-Jahre-Strichmännchen-Illustrationen und mit weitem Zeilenabstand gesetztem Text. In Erinnerung wird auch bleiben, wie schön Hacke beim Lesen die Beine übereinander falten (slightly zu enge Jeans, sorry, sorry) und sich dabei über die Knie streichen kann. Ganz wichtig immer auch: ein ernstes, unbeteiligtes, leicht begriffsstutziges Gesicht aufsetzen, wenn das Publikum wieder losbrüllt vor Lachen, nie die Rolle des Ich-verstehe-schon-längst-nicht-mehr-was-hier-los-ist-auf-dieser-irren-Welt-Stoffels verlassen. Er ist der Erich Kästner für die Generation, die ihre rot-grünen Kuschel-Illusionen an die kalte Welt von Putin, Instagram und ChatGTP verloren hat, und das ey, Entschuldigung, ist ja nun wirklich ein Kompliment.
Disco-Schnupfen haben wir früher gesagt für Erkältungen, die daher kommen, dass man den Körper beim Ausgehen ein bissl zu hart rangenommen hat (obwohl, da war ja Kokain im Spiel, beim Disco-Schnupfen, und hier war es ja nur zu viel Bier, also eher Suff-Husten, anders furchtbar #Normalität).
Abu Muhammad al-Dschaulan, der Rebellenführer, der heute in Damaskus ankam und den Boden küsste, sieht fantastisch aus (wie aus dem Sonderband Mecki, der HörZu-Igel, bei den Syrern).
Mein Freund, der Flixbus (Zürich-Marktredwitz 6 Stunden, 50 Minuten, Zwischenstation Augustiner-Keller, München, Arnulfstraße). Kapiere immer noch nicht, warum ich mich in diesen hässlichen giftgrünen Bussen so wohl/ so frei fühle, Entschuldigung, it is the American way of travelling, ich könnte bis Pristina durchfahren.