8. Juli 2024, Montag

Zwei Wochen in einem bescheidenen, man könnte auch sagen: endschönem Haus in den Bergen bei St. Tropez. Kein Pool, nur eine Außendusche (Style). Eines der bekanntesten Fotos von Willy Brandt ist exakt hier, in diesem Haus, entstanden: Der Kanzler mit Jeanshemd mit Perlmuttknöpfen, Zigarettchen im Mundwinkel, eine Ukulele in den Händen. Hier oben auf unser Terrasse, knobelte Brandt einst, in den Jahren 70, 71, zusammen mit seinem Kriegskameraden Egon Bahr die Ostverträge aus — vielleicht die schönsten, klügsten und hellsichtigsten Verträge, die eine Bundesregierung je auf den Weg gebracht hat. Brandt sagte, wie immer gegen 11, gleich nach dem Frühstück, mit dem ersten Chartreuse in der Hand: „Warte mal, es muss sich einfach anhören, Egon, und gleichzeitig maximal prosaisch. Wandel durch …“. Und Egon steckte sich die zehnte Zigarette des Tages an und sagte: „… durch Annäherung, Willy.“ Und Willy guckte über die Bucht von Cavalaire und sagte: „Wir haben‘s für heute, Egon. Lass uns jetzt richtig mit dem Trinken anfangen.“

Heute, gut 50 Jahre, später, sind wir auf Instagram und debattieren über die von vielen als flammend empfundene Rede von Bundestrainer Julian Nagelsmann: „Ich glaube, wir leben in einer Zeit, wo jedem das einzelne Posting, sich selbst darzustellen, wichtiger ist als vielleicht eine gemeinsame Stunde zu verbringen.“ Es sei nun wichtig, so Nagelsmann weiter, zu realisieren, das Deutschland ein schönes Land sei (okay, okay). Natürlich, der Affekt, sich hämisch über den Trainer zu äußern, dem die Tränen kommen und der es mit seiner Mannschaft ja auch nur bis zum Viertelfinale geschafft hat, ist groß. Aber noch größer ist die Lust zu sagen: Schaut her, Politiker, so geht die Ruckrede, die eigentlich ihr hättet halten sollen. Da denkt mal einer IN GROSSEN ZUSAMMENHÄNGEN.

Bahrs Ostverträge sind auf unser Ferienterrasse übrigens ganz selbstverständlich in unseren Sprachgebrauch übergegangen. 

Man sagt:
„Nimmst du auch noch einen Bahr?“ (einen Espresso mit einem Schlückchen Milch).
Oder: „Für dich auch noch ein Wandel?“ (Döschen eiskalte Cola aus dem Kühlschrank)
Oder auch: „Mir ist heute nach einer Annäherung“ (heißt: Wir sollten vor dem Club-Cinque-Tisch um 18 Uhr unbedingt noch ins Wasser springen). 

Dröhning in the Schatten. Oder gleich im Haus, auf den cremefarbenen Leinensofas. Neue Sonnenbrillen, neue Kopfbedeckungen ausprobieren, was man halt so macht. Der IQ plumpst, falls so etwas möglich ist, gehen 14 Uhr auf einen Jahres-Tiefstand (wunderbar).

Biden: „I am proud to be the first black woman.“

Ach, Freunde.