9. Mai 2025, Freitag
Am Morgen am Bürkliplatz-Markt gewesen: Blumen kaufen.
Mir fällt es immer noch schwer, den Tag positiv zu beginnen. Ich komme von der ANGST AM MORGEN — Morgenzeit ist die Zeit, in der in einen Text hineingefunden werden muss (zwei, drei Mal im Monat muss ein Text entstehen, öfter auch nicht).
Die Angst ist gleich voll da, das Weggetretensein von den Schlaftabletten kommend, nach dem dritten doppelten Espresso wird es besser. Kann ich das noch? Wie geht noch mal ein lockerer, gut wegrollender, die Lust zum Lesen eröffnender erster Satz? Hör ich noch was, oder bin ich heute leider taub?
Lustig, als es losging mit dem Schreiben, so um 1990, musste — halb aus der Not, halb weil es auch so ein herrliches Blödmann-Künstler-Rock‘n‘Roll-Klischee ist — eigentlich immer erst mal ein Totalzusammenbruch/ ein richtig gehender Morgendliche-Totalerschöpfungs-Exzess inszeniert werden: aus dem morgendlichen Halbdämmer-Angstzustand im Bett gleich zwei Zigaretten rauchen, der Körper brüllte wütend, Angst, Angst, konkret: nasse Hände, der Magen-Darm-Trakt sackt komplett weg, gleich noch eine rauchen, Kappe auf den Kopf, damit der Körper, vom Kopf her kommend, zu Haltung gezwungen wird. Und in diesem enorm aufgeheizten, elektrisierten Zustand dann: an die elektrische Schreibmaschine, den ersten Absatz ausprobieren (das Papier aus der Maschine rupfen, neues Papier einspannen, und immer so weiter, in die Hysterie hinein). Du liebes Bisschen. Und den ganzen Zirkus/ die ritualisierte morgendliche Schreibkrise, das muss man ja auch mal sagen, für: 25 Zeilen Plattenkritik in Tempo, einen von acht Texten auf der Neue-Platten-Seite.
Dass der Einstieg in einen Text seitlich genommen werden kann, also nicht von der Angst her kommend, sondern vom Spielbein her, wippend, federnd, auf leichtem Fuß, aus einer spielerischen, freundlich gestimmten, noch nicht so ganz sinnlos auf Erbitterung und auf Killen gestellten Halbdistanz heraus, das habe ich erst viel später gelernt, eigentlich erst, als mein Sohn Carl vor gut zwanzig Jahren geboren wurde. Der Blick des Neugeborenen, er sagte von Tag eins an: Komm mal runter, Junge. Alles halb so wild.
Zum Papst: Ich weiß es auch nicht. Päpste: fremde Menschen. Freude über neue Päpste: auch fremd. Aber ich habe auch Lust, so wie alle, ihn eher gut zu finden — auch weil das Dooffinden von Katholizismus und Heiligem Vater ja wirklich so supereinfach und das Geschäft der allerdööfsten, fantasielosesten und unbegabten Menschen ist. Wir verdanken den Prozeduren im Vatikan bekanntlich alles, Pop, Superpop, italienische Oper, Verismo, Fernsehgarten und Kessel Buntes, Gay Culture, George Michael, Madonna, Versace, Dolce & Gabbana, Abel Ferrara, Martin Scorcese, Lady Gaga usw. usw. Und: Natürlich ist das toll, dass Robert F. Prevost, der sich jetzt Leo XIV nennt, neben Frankie Knuckles und Marshall Jefferson einer der ersten Chicago House DJs war. Der katholischen Kirche wird das gerade bei den jungen Menschen ganz neuen Schwung geben.
Erster Kaffee im Café mit dem internationally besten Namen: CAFÉ BOY, Koch- Ecke Sihlfeldstrasse, 8004 Zürich. Morgen dann, ab 14 Uhr: GRAND OPENING, große Eröffnung, Leute.
Lustig, die zahlenmäßig sehr wenigen Zürcher Obdachlosen können nicht fassen, wenn man — als abgefuckter Berliner — nicht auf sie reagiert und bei ihrem ganz normal total enervierenden Bettelvorgang fortgesetzt regungslos durch sie hindurchguckt, sorry, sorry, da sind wir am Mehringdamm wirklich anderes gewohnt.
Tages-Anzeiger: Deutschland verschärft Grenzregime. Mario Fehr, Zürcher Sicherheitsdirektor, fordert eine deutliche Antwort — von Asylminister Beat Jans: „Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen.“
Ja, passt auf, ihr Schweizer, dass wir hässlichen Deutschen euch nicht abziehen. Jetzt wach bleiben. Lasst euch das nicht gefallen.