moritz von uslar
meldungen aus dem wald

5. November 2025, Dienstag

Ich würde gerne profund beurteilt bekommen, ob es sich bei dem gestern gewählten Commie und Millionärskiller Zohran Mamdani nur um den nächsten Hipster-Schwachkopf, eine Schwatzkanone und offenbar auch um einen ziemlich guten Rapper handelt (ich kann die neuesten Gute-Laune-Filmchen auf Insta da nur schwer einschätzen). Oder doch: um den richtigen Mann zur richtigen Zeit auf dem richtigen Posten (Bürgermeister von New York City) und eventuell sogar um mehr — einen Prototypen des neuen Demokraten, der dem längst als unschlagbar geltenden Donald Trump bei den Midterms im November die so dringend gebrauchten schweren Verletzungen zufügt.

Die gewohnt enorm gut informierte, gerne auch ein bissl schlecht gelaunte Einschätzung von beautiful Mamdani, wir bräuchten sie bitte von:

Lars Jensen, lebende journalistische Legende, NYC
Philipp Oehmke, Der Spiegel, Berlin
Christian Zaschke, Süddeutsche, Berlin
Boris Hermann, Süddeutsche, NYC
Andrian Kreye, Süddeutsche, München

Lässt Trump jetzt Panzer auf der Fifth Avenue auffahren, wie Andrew Cuomo das für einen Wahlsieg des Alptraums aus dem Ein-Zimmer-Apartment in Queens prophezeit hat? Nein, es wird Trump reichen, 2,8 Milliarden Bundesmittel zu streichen und so einige Wahlkampfversprechen des neuen Bürgermeisters an empfindlicher Stelle ins Leere laufen zu lassen (Unterstützung bedürftiger Familien, Förderung von Kinderbetreuung, diese Dinge) und die immer noch tollste Stadt der Welt, New York, in kürzester Zeit wie einen dystopischen Slum, wie Gotham City und Klein-Havanna aussehen zu lassen.

Ganz andere Sache. Die Auswertung der Forsteinrichtung/ Hauptergebnisse der Stichprobeninventur liegen vor.

Die wichtigen Parameter lauten:

Vorrat aller Schichten in Vorrats-Festmetern pro Hektar und Ernte-Festmeter pro Hektar
Vorrat für Oberbestand
Vorrat für Zwischenbestand
Vorrat für Althölzer
Vorratsverteilung nach Durchmesserklassen
Altersklassenverteilung im Oberbestand
Baumartverteilung in der Verjüngung (BAG).

Alles klar.

Strahlender Sonnenschein, der in das Gelb, das Rot und Rotbraun der Wälder hineinfällt. Like if it was late September in Upstate New York.

In einem Kilometer, das Ziel befindet sich rechts: Izmir Markt, 95028 Hof.

3. November 2025, Montag

Wieder einswingen: in den Wald.

Driving the Waldwege in the Subaru.
Gespräche mit Mr. Randolph und Doktor Jacklestone, the boyz in the wood.

Der neue Harvester von Jacklestone — den exakten Modellnamen muss ich morgen noch mal erfragen — macht ganze Arbeit. Der Hersteller John Deere war letzte Woche im Wald, um ein paar Motive für den neuen John-Deere-Kalender zu schießen. Kommentar Kupfer: „Früher gab es Bikini-Mädchen im Nutzfahrzeuge-Kalender, heute ist es unser Jacklestone.“ Cool!

Die Rotbuche, geschätzte 200 Jahre alt (the Park).
Die Handwerker
Und: die Steuer.

Christl sagt, wie ja alle wissen: die Wahrheit.

Christl sagt auch: „Es wird nicht einfacher.“ Das ist ja wohl mal wieder einwandfrei wahr.
Christl sagt weiter: „Was sind denn das für Preise im Supermarkt? Das ist doch nicht mehr normal.“

Gestern, am Sonntag, war das Lokal, wie so oft am Sonntag, bis auf den letzten Platz gefüllt.

Christl sagt jetzt, zum Abschluss des Telefonats: „Die Friedelind hat heute Mittag einen frischen Schweinebraten reingeschoben. Wann willst‘ denn kommen, Moritzle?“
So um halbsieben dann, bitte.
„Passt.“

„Und die junge Generation fühlt sich nicht mehr von Politik repräsentiert.“ Ach Mensch, ja, schade. (Das wird aber schon wieder, alles gut). 😘😘

29. Oktober 2025, Mittwoch

In die sicherlich sehr sorgfältig gemachte C.G.Jung-Ausstellung im Landesmuseum brauche ich nicht zu gehen (ein Highlight: die Freud-Sofas auf den Stufen des sehr geil nach unten stürzenden Treppenhauses aus geschliffenem Sichtbeton), ich bin ja kein Schweizer, und als normal intelligenter, nicht übermäßig zur Selbstquälerei neigender Mensch weiß ich ja schon alles über die die Psyche und den ganzen Seelenkack.

Ich war dann natürlich doch drin und dachte: Watt denn, das ist schon alles? Das geht aber schnell vorbei. Das furchtbare, alles vernichtende Kritikerwort „unterkomplex“ war mir in den Sinn gekommen, ich hatte es bei Jens Jessen vor etwa 15 Jahre bei einer Zeit-Feuilleton-Konferenz zum ersten Mal gehört und war schon damals sehr darüber erschrocken (ja, ja, zu einer profunden und vor allem fairen Ausstellungs-Kritik, die das hier ja keinesfalls sein möchte, muss man sich schon ein wenig länger als meine blasierten zwanzig Minuten nehmen, ist klar).

In den Räumen der Ausstellung war ich immer wieder in die KARIKATUR der Zürcher C.G.-Jung-Ausstellung-Besucherin hineingelaufen — #Angst: neunundsechzigjährig, natürlich, oder doch schon weit über achtzig, das ist die von der Psychotherapie geprägte Generation, müde, grau, aschfal, von grässlichen Falten zerfurcht, in endlosen Therapiesitzungen zerwalkt, zerlabert und zerschlissen und in Sitzungen über die Jahrzehnte von scheußlichen Heulkrämpfen durchschüttelt, betrachtete sie jetzt hier, die in cremefarbene Filtz-Jute-Kaschmir-Kombinationen gekleidete Armee der Psychotherapie-Leichen, die Exponate der Ausstellung SEELENLANDSCHAFTEN.

Und ich dachte, nicht zum ersten Mal: Was ist das bitte für eine Wissenschaft, die von Freud, Jung und Adler, die so freudlose, so hart vom Leben zermarterte Menschen als ihre Patienten und Fans hervorbringt? DAS KANN NICHT GUT SEIN.

Gut eine Stunde später dann, durch Zürich streifend — ich hatte mich am Rande einer akut einsetzenden Totalverblödung allen Ernstes zu einem Tässchen Filterkaffee im Hottinger Café Vier Linden niedergelassen (das dazugehörende Bio-Reformhaus wird von Urzürchern „Vierziglinden“ genannt, weil es selbst für hiesige Verhältnis so geisteskrank überteuert ist), wurde ich hier — irrerweise ja gleich im Anschluss an den Besuch der C. G. Jung-Ausstellung im Landesmuseum — Zeuge eines ganz besonders traurigen und schaurigen Zwiegesprächs:

Über gut zehn Minuten konnte ich dabei zusehen, wie ein noch irgendwie junger, dabei aber offenkundig schon halb zum Tod rübergekippter Junkie (geschätzt 28, Scarface-T-Shirt, billiges Pepita-Hütchen, hohe Wangenknochen, verdreckte Fingernägel, junkiemäßig ziemlich gut, schmal und schnittig aussehend) seine restlos überforderte, ihren eigenen Sohn mit ANGSTGEWEITETEN AUGEN anstarrende Mutter zusammenfaltete.

Sohn, bösartig, abgefuckt, sadistisch, voll auf der „Ich gebe meiner Mutter jetzt den Rest“-Rolle:

„Du solltest mir Bargeld mitbringen — du hast mir kein Geld mitgebracht. Wenn du mir kein Geld gibst, wirst du sehen, dass ich schon heute wieder auf der Straße lande.“

„Meine eigene Mutter gibt mir kein Geld.“

„Die eigene Mutter sieht dabei zu, wie ihr Sohn in den Knast geht.“

Dann, comichaft böse, übertrieben irre: „Soll ich böse Dinge tun? Möchtest du sehen, dass ich rausgehe und Leuten auf offener Straße ein Küchenmesser in den Hals stecke, einfach, weil es mir egal ist, einfach, weil ich es kann?“.

Mutter, erbarmungswürdig, in schrecklicher Mutter-Hilflosigkeit, dem kaputten SM-Junkie-Hustler-Monster-Manipulations-Grausamkeits-Spiel ihres Sohnes ganz ausgeliefert — die Urtragik dieser Person lag natürlich darin, dass sie als Mutter nicht einfach aufstehen und ihren Sohn, der längst der größte und erbarmungslosteste Feind in ihrem Leben war, so sitzenlassen konnte:

„Das bringt nichts, wenn wir so miteinander reden.“

Im Kopf konnte ich den Therapeuten der Mutter hören, der seiner Patientin geraten hatte: „Wenn Sie ihren suchtkranken Sohn treffen, dann bitte an einem öffentlichen Ort.“

Sohn ab, nachdem er sich — strichermäßig, junkiemäßig, auch hier schon wieder mitten in einer scheußlichen Manipulations-Theaterszene — sein Handy und das Aufladegerät über die Kuchentheke hatte reichen lassen, Mutter blieb mit geschlossenen Augen am Cafétisch sitzen. Himmel, hilf.

Am Abend dann versuchten wir, Anna und ich, die Haftbefehl-Doku Babo auf Netflix zu sehen — und waren, schon nach zehn Minuten, praktisch erschlagen von so viel Psycho, Soße, Kitsch, lowester RTL-Haftigkeit, abgestandester 069-Offenbach-Straßen-Drogen-Heroisierung, von so viel komplettem Scheiß.

ANDERE Frage, aber: Hat der sagenhaft gute Künstler Haftbefehl nicht zehn, zwanzig oder 25 sehr, sehr gute Songs gemacht? Hätte man, zum Beispiel, nicht gerne gesehen, wie er, der Flowter, sich im Studio verhält und wie der Smack seiner Songs ganz konkret entsteht? Nein, er war schon zu drauf, zu kaputt, zu weggetreten, als dieser Film gedreht wurde, er war einfach zu krank, da konnte man nur noch dieses Auf-die-Leiche-Draufhalten machen. Verstehe.

Mann! Da hat sich der sprichwörtliche Offenbacher Junge mit der Kraft und Randale seiner Kunst — Ich bin high und ich rolle tief — aus der Tristesse seiner Biografie hervorgearbeitet (die so genannten Aussichten wären ja wirklich nicht so toll) und sich zum Autor seiner eigenen Fame-&-Fortune-Geschichte erhoben — und wird von seinen Biografen, dem Ex-Spiegel-Redakteur Juan Moreno und dem Agentur-Texter und Regisseur Sinan Sevinç, genau auf den alten Mist wieder festgelegt, auf seine Herkunft, den Wohnblock in Offenbach, die Traumata, den ganzen Psycho-Schmuh mit Vater und Familie, die als Netflix-Oper gut aufzubereitende Opfergeschichte.

Das eine ist, was ein Haftbefehl erzählt, hält man ihm ein Mikrophon hin (natürlich immer wieder die alte „Ich bin Dreck/ ich komme von ganz unten“-Geschichte, weil er weiß, dass sie für alle bequem ist und sich gut verkauft), das andere wäre die ungleich tausendfach interessantere, sorry, nicht reaktionäre Geschichte gewesen, bei der ein Film mehr weiß und mehr verstanden hat als seine Protagonisten: Papa war der Superpimp, der seine Armani- und Versace-Anzuge in den Müll steckte, nachdem er sie drei Tage getragen hat (ach ja? Ich glaube das komischerweise gar nicht, auf den wenigen Original-Bildern sieht Papa Haft eher wie der normal melancholische kurdische Gastarbeiter in einem hässlichen 80er-Jahre-Deutschland aus), er hat sich beim Fußballtraining nie blicken lassen und sich auch sonst keine Zeit für mich genommen, ich habe das bis heute nicht überwunden.

Sorry, verehrter ehemaliger Spiegel-Kollege Juan Moreno: Aber das finde ich keinen guten Film.

(Die absolut schönste Szene des Films, die es natürlich auch gibt, muss noch erwähnt werden: Reinhard Mey singt In meinem Garten, und Aykut Anhan, der schwer angeschlagene Babo, krächzt mit — oh Gott, wie der Liedermacher-Strumpf und der sentimentale Drogen-Babo sich hier treffen, in einer anderen Ewigkeit, und sich tief in die Arme sinken, das ist großes Kino, hier wird doch noch alles, alles gut). 

28. Oktober 2025, Dienstag

Dann plötzlich Sonne. Und meine Standard-Behauptung, seit Jahren, dass man bei scheußlichem Wetter, bei Regen und Dunkelheit — zur Jahreszeit des Herbstes — so viel besser am Schreibtisch sitzen und sich in die Arbeit vertiefen kann, ist hinfällig.

Die furchtbarste Ansage der Woche war natürlich die von — wer ist das noch mal — Kamala Harris: „I am not finished yet.“

Wie „I am not finished yet“? Man ist auch dann noch nicht fertig, wenn man vom geisteskranken Quatschkopp Donald Trump bei einer Präsidentenwahl bis in den Popular Vote hinein nach allen Regeln der Kunst besiegt, an die Wand geklatscht und aus dem Weg geräumt wurde — der darauf hin begann, das schönste Land der Erde in eine faschistische Geister-Aristokratie zu verwandeln? Wenn man dann noch nicht fertig, wann dann? Nie?

Das Prinzip der MadW, dass man hier so — ganz locker, aus dääää Hüfte — bisschen was zu den wichtigsten und unwichtigsten Dinge auf Erden sagt, kommt hier gerade ein bisschen an seine Grenzen, einfach, weil so viel passiert (Taiwan, Stadtbild-Diskussion, die neue Haftbefehl-Neflix-Doku Babo von Juan Moreno und Elyas M’Barek, neuer Verfassungsschutz-Chef warnt vor russischem Überfall, der noch früher als 2029 stattfinden könnte). Oder passiert gar nichts, und es ist alles The Apprentice? Auch das ist letztlich nicht klar.

Hier in Zürich:
Gelage im Café Boy (herrliches Espresso-Martini-Wetttrinken mit Zürichs freshestem Linksradikalen Raffi G. und Theken-Freestyle-Bla über RAF, Bewegung 2. Juni und Free-Palestine-Demonstrationen — jaja, in Zürich, sind doch alle so herrlich linksradikal).
Abschiedsessen mit Kämmerlings in der hier ansässigen Zweigstelle der Brasserie Lipp (à tout prochain, on se vera à Paris, mes amis). 😘😘
Morgiger Mittwoch: das neue Stück Stützliwösch Supertrans — Uno des Zürcher Woke-Kids Kay Matter im Schauspielhaus.
Am Donnerstag: Eröffnung bei Tobias Müller.
Heute Abend spielt die Teenage-Pop-Sensation Nina Chuba, gebürtig aus 22880 Wedel, im Hallenstadion Zürich — wir gehen mit 25 blonden, leicht gelangweilten Zehnjährigen hin (das war doch der Star vom letzten Jahr, aber im letzten Jahr um diese Zeit mussten wir eben auch schon die Tickets kaufen, damit wir heute Abend hier noch reinkommen, sorry, sorry).

19. Oktober 2025, Sonntag

Iris Radisch fragt sich in ihrer Rezension des brandneuen Öko-Freak-Klassikers Die Leiden jungen Werthers: „Warum sind wir nicht zufrieden mit den einfachen Dingen?“ Ja, das kann man sich wirklich fragen. Und ihr Podcast-Partner Adam Le Sobo Duchowa Gigant gibt zu denken: „Nun, weil uns immer irgend was zu wenig ist — wir wollen perfektionieren, und so weiter und so fort.“

Wir merken uns: öfter mal für ein Bier nach Frankfurt.

Leider verpasst: Erika Thomalla spricht mit Helge Malchow über Maxim Biller. Andererseits ist das ja ganz genau Buchmesse: wo sein, wo man etwas anderes verpasst.

Winde gehen.
Bäume rauschen.
Regen fällt: jeden Moment.
Das Laub in den Alleen wird nass und schwarz.

Live im ZDF: Katja Petrowskaja spricht in der Paulskirche (Friedenspreis für Karl Schlögel). Sie, die mit der gesungenen Sprache, sie hätte lieber nicht über den Krieg, dafür über die Musikalität der Prosa des Karl Schlögel gesprochen.

Eine Brille aus durchsichtigem Acetat muss aus dem Gesicht genommen werden.
Tränen, für zwei, drei Sekunden.
Im Moment der Übergabe der Urkunde ist die Fassung wieder da.

„Es geschieht das Ungeheuerlichste.“

„Noch einmal alles: von Anfang an durchdenken.“

Liebe müde, dumme SPD, liebe sehr dumme Linke: Diese Paulskirchen-Rede hören Sie sich bitte an.

Und das noch, die schließenden Sätze: „Von der Ukraine lernen heißt furchtlos und tapfer sein. Vielleicht auch siegen lernen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“

Dank auch an den langjährigen Lektor Tobias Heyl.

16. Oktober 2025, Donnerstag

Interessant, wie viel härter, strenger, schmaler, feiner, gefasster, irgendwie auch intelligenter der mit Vornamen echt René heißende René Benko aussieht, seitdem er beim Landesgericht Innsbruck auf der Anklagebank sitzt. Zwei neuen harte Falten um den Mund. Das lächerlich Aufgeblasene, Halbseidene und Popanzige ist weg, man sieht einen angenehm geläuterten, vom Schicksal hart gestreiften Mann. Als hätte man nicht nur seinem Firmengeflecht — bei dem er ja längst selbst nicht mehr durchblickt — die heiße Luft abgelassen, sondern auch seinem Kopf.

Was immer übersehen wird: wie erleichtert Betrüger darüber sein müssen, wenn der ganze unwürdige Spuk endlich vorbei ist. Und DAS GERICHT über sie spricht. Jetzt kann er im Gefängnis noch mal in Ruhe über alles nachdenken. Und ein Mensch werden, schön. 😘😘

Sachsenhausen: Süd.

Ein herrlich cheap nach BUSINESS und nach billigem Retro-Chic made in 2005 aussehendes Billig-Hotel (Pastell, beige Presshölzer). Kostenpunkt, zur Buchmesse ist das wirklich ein Hit: 79 Euro (ich spare doch so gerne bei Hotelkosten).

Oskar Melzer wartet am Römer.

Wir nehmen dann erstmal 28 Bier, bitte. Vielen Dank.

15. Oktober 2025, Mittwoch 

Trump-Saudepp. Die Hamas schießt ihm seinen dreitausendjährigen Frieden nach zwei Tagen zusammen.

Bei Herrn Randolph im Wald.

HERBST.
The Laub.

Am Abend im Schützenclub Einigkeit in Buchwald/ Längenau, 95100 Selb.

Mein Herz tut weh (ehrlich gesagt: Das ganz genaue Gegenteil davon ist der Fall).

Morgen eine Nacht Frankfurter Buchmesse, am Abend Writer’s Thursday, später dann noch zu Joachim Unselds von allen vollkommen zu Recht legendär genannten Buchmessenparty in seinem Haus im Frankfurter Westend (siehe hierzu auch Benjamin Stuckrad-Barres und Moritz von Uslars Partybericht Anschwellendes Gerede aus dem Jahr 2006 im Spiegel, eine Hochgesang eben auf diese absolut wundervollen Joachim-Unseld-Buchmessenpartys https://www.spiegel.de/kultur/anschwellendes-gerede-a-70e01d9f-0002-0001-0000-000049133268).

Zitat: „Alexa Hennig von Lange sieht wieder sehr hübsch aus, Christian Kracht schockiert mit seinem schlaffen Händedruck, Florian Illies möchte jetzt lieber nicht fotografiert werden.“ Und: „Ein Jungdichter, bedrängt vom Lyriker Gerald Zschorsch, zündet eine seiner berühmten Nebelraketen: ‚Entschuldigen Sie, aber ich habe gerade Heroin genommen, deshalb ist es schwer für mich, Sie zu verstehen.‘« HAHA.

Will morgen natürlich auch noch mal hören, wie sich philippinische Manga-Comic-Autorinnen in der Podiumsdiskussion mit Zeit-Redakteurinnen so anhören, klar.

Überfluss.
Zuviel Glück gibt es nicht.

#GLÜCK

10. Oktober 2025, Freitag

Der Vollidiot Trump kriegt keinen Friedensnobelpreis (Stand Freitag, 12 Uhr). Das heißt, er wird jetzt Norwegen mit Zöllen überziehen, weil er nicht versteht, dass nicht Jens Stoltenberg den Preis vergibt, sondern ein Komitee.

Der ungarische Literarurnobelpreisträger sieht interessant verlottert aus und nach einem von den Menschen abgewandtem Leben: so, als esse er seine eigenen Schuhsohlen zum Frühstück. „Düsterer Stil und komplexe Sprache“ klingt erst mal nicht einladend. Muss jemanden finden, der schon mal ein Buch von diesem Sprach-Ungeheuer in den Händen hielt, das wird nicht einfach.

Telefonat mit Charles Schumann zur klassischen Charles-Schumann-Zeit, also gegen fünf Uhr nachmittags.

Er sagt: „Du hattest viel Glück im Leben, Moritz“ (er meint sicher meine tolle Freundin Anna, stimmt!).
Dann, unvermittelt, Charles-Schumann-Style: „Das Leben ist schon sehr abenteuerlich, geh‘.“
Und weiter: „Kriegt ihr da etwas Anständiges zu essen in Sizilien? Italienisches Essen ist ja meistens eine absolute Frechheit — ich habe neulich schon wieder einen Wutanfall kriegen müssen, in Kalabrien.“

Dann, ich hatte mich nach seinen Fortschritten in Japanisch erkundigt — seit fünf Jahren lernt er heldenhaft diese für Europäer eigentlich nicht lernbare Sprache: „Es ist verdammt schwer, manchmal bin ich nur noch verzweifelt.“ Seine Methode sei eine Sprachschule in München. „In Japan habe ich erst eine Stunde Unterricht bekommen, das war bei einem alten Japaner, der war aber vollkommen betrunken.“

Klassische Abbindung eines Charles-Schumann-Telefonats: „Also gut … Wir sind da. Du meldest dich.“

Hier oben am Berg in Sizilien verplempern wir den Vormittag mit interessanten Handwerkern: Jetzt ist der Spezialist für Elektrogeräte eingetroffen, natürlich kein normaler Spezialist, sondern uno specialista straordinario (im Kühlschrank brennt nur noch Licht, aber das ganze schöne Zeug aus den Feinkostläden in Cefalù bleibt warm). GROSSES Mitteilungsbedürfnis des Elektrikers, herrliches Pizza-Englisch.

Lektüre: Florian Illies‘ neues Buch über das Exil der Familie Mann in Sanary-sur-Mer.

„Das ist nicht die richtige Zeit, um Deutschland zu verlassen.“

Man liest — dann lässt man den Tag sausen, weil man weiter lesen möchte, normal, it is a Florian Illies, Baby (erscheint am 22. Oktober).

8. Oktober 2025, Mittwoch

The Glitzy.
Lufty.
Meery.
The unfassbar Angenehmy.
The Korkeicheyy. Am Stamm ist der weiße Plastikschirm (Empfang Internet) angeklemmt.
The Liparischen Inseleyyy (Isula di Filicudi, Salina, Lipari, Vulcanello und Vulcano, Panarea, Stromboli).

Tyrrhenisches Meer.

Bananen, Kekse, Espresso.

Sorry.
Sorry.

Braucht man noch Sonnencreme? Oh doch. Besser ist DAS.

Johanna mit ihrer sehr schönen, großen Hornbrille und im sehr schönen Trenchcoat im Regen auf der Linienstraße über WhatsApp-Video.

Alexander Gorkow schreibt. Ich bin total einverstanden, Danke, Don Gorkow.

Lektüre: Spaziergänge mit Prominenten, Ben Witter, Hoffmann & Campe, erschienen irgendwann in den Achtzigern wohl.

Walter Scheel?
Golo Mann?
Hä?
Wer sind diese Leute?

Das Strickkrawattige, Whisky-Rauchige, noch vom Zweiten Weltkrieg Traumatisierte des Ben Witter. Es wirkt, so etwa: 250 Jahre alt (dachte eben, eigentlich möchte man keine Journalisten mehr lesen, in denen das Männliche noch vollkommen ungebrochen, also ohne den Schreck und die Korrektur von #MeToo so vor sich hinnpalavert). Die Frage ist auch, ob das alles — sein Stil — schon wieder so lange her ist, dass es heute wieder funktioniert.

Frage auch, ob Journalismus so gefertigt sein kann/ sein sollte, dass man ihn dreißig, vierzig Jahre später noch lesen möchte (es geht eher nicht, Tucholsky möchte man noch lesen, schon Kracauer fällt heute unter irgendwie originelles, nicht mehr echt interessantes Beiwerk).

Vorsicht, Wohlsein kann starke Schmerzen verursachen! 💋😎😎 

Und gegen 13 Uhr beginnen wir hier am Pool über Cefalù die zweite Hälfte des Vormittags.

7. Oktober 2025

Gestern Abend fand ab 19 Uhr im Literaturhaus Hamburg eine Ehrung der Journalistin und Schriftstellerin Johanna Adorjàn statt. Es war ein rundum schöner und gelungener Abend — Johannas Tante aus Kopenhagen war angereist, unter den Gästen auch ein paar echte Honchos und Honchas des deutschen Feuilletons (Modernes-Leben-Erfinder Haug von Kuenheim, Ulrich Greiner, Willi Winkler, Julia Encke) und des deutschen Nachrichtenmagazin- und Magazin-Journalismus (Cordt Schnibben, Lucas Koch, Bettin Stiekel). Später noch Drinks und Club Sandwich im Hotel Atlantic.

Ich war als Laudatur bestellt, MadW dokumentiert hier den Wortlaut der Rede.

 

WORDS DON‘T COME EASY

Laudatio auf Johanna Adorjàn anlässlich der Verleihung des Ben-Witter-Preises 2025

Für mich war FRISCHE immer ein Kriterium für die Qualität/ die Durchschlagskraft feuilletonistischer Texte.

Im Sommer 2010, also auch schon vor 15 Jahren, saß ich mit Frank Schirrmacher in seinem schönen Garten in Sacrow an der Havel, und er fragte — in seiner komisch forcierten und provokanten Art:

„Es wird Zeit, einen neuen Journalisten-Preis auszugeben. Was meinen Sie?“

Und ich sagte:

„Ich bin absolut dafür. Und ich weiß auch schon, wie dieser Preis heißen wird: Es ist der Frische-Preis, mit einem einzigen Juror, nämlich mir. Prämiert wird genau das: Frische. Die Nicht-Ranzigkeit des Denkens. Als erste Preisträgerin schlage ich Ihre überragende Feuilleton-Redakteurin Johanna Adorjàn vor.“

Herr Schirrmacher nickte heftig mit dem Kopf. Und schnitt dann schnell ein neues, für ihn produktiveres Thema an.

Nicht-Ranzigkeit, also.
Drive.
Splendour.
Fierceness.
Das Crispe, Noch-Nicht-Abgelaufene.
Die Lust an der neuen Formulierung.
Das Unerhörte, Sich-Selbst-Überraschende.

Temperament!
Theatralik!

Ein nicht druckreif klarer Gedanke, ein noch nicht ausgegorenes GEFÜHL! Und das dann genau so stehenlassen.

Let‘s talk about feelings!

Natürlich auch: Das ein wenig Windschiefe.
Gekonnt Danebene.
Gut Hingehauene.
Dann — Bämm, Bämm, Bämm — drei sehr kurzen Sätze, je vier Wörter lang.

Ich könnte hier ewig weitermachen mit Begrifflichkeiten für eine TEMPERATUR, die es zu selten gibt im deutschen Feuilleton. Sie liegt bei angenehmen 6 bis 8 Grad, also auf Kühlschrank-Temperatur.

Es ist ganz einfach, gut und lebendig zu schreiben — so KÖNNTE man denken, liest man Johanna Adorjàn

Und natürlich verwechselt man so das Vergnügen, das Leserinnen und Leser beim Johanna-Adorjàn-Lesen haben, mit der Arbeit, die das Leicht- und Frisch-Sein ganz zweifelsfrei bedeuten. Geschenkt.

Ein typischer Johanna-Satz:
„Irgendwann kommt man da aus dem Staunen auch wieder heraus.“ (über dramaturgische Schwächen der Disney+-Serie The Bear).
Neulich sagte sie über eine Journalisten-Kollegin, wir saßen bei einem Abendessen in einer B-Brasserie in Paris: „Sie ist nett, aber ich mag sie nicht.“
Denken Sie mal eine Minute über den Bumms dieses Satzes nach!

Was sind die typische Johanna-Adorjan-Themen?

Diese Autorin positioniert sich irgendwo zwischen einer klassischen Bildung und Netflix-Klugheit, covered up vom grenzenlosen Schatz des Pops der Achtziger und Neunziger.

Konkret: So eine Autorin kann genau erklären, was sie an der kühlen und präzise Sprache der Yasmina Reza bewundert. Und genau so natürlich stösst es ihr zu, dass sie nachts die neue Single von Cardi B. herunterlädt — und sich die vier verschiedenen Perücken genauer ansieht, mit denen die Rapperin im Gerichtssaal zur ihrer Anklageverlesung erschien.

In den letzten Wochen und Monaten sind mir die folgenden Johanna-Adorjàn-Themen begegnet:

Ein saulustiger Bericht über die „Aktionswoche“ des Bundesministeriums für Familie gegen Einsamkeit („Wir müssen wirklich mal reden“)
Eine Kritik der gesammelten Psychotherapie-Sitzungen von Joan Didion
Ein Nachruf auf Margot Friedländer
Großer Abschied vom Balenciaga-Designer Demna in Paris
Die Memoiren des New Yorker Balthazar-Gastronomen Keith McNally.
Kritik des Auschwitz-Bandes des Mode-Fotografen Jürgen Teller.
Ein Geburtstagsglückwünsche zum Hundertsten des New Yorker
Die Verarbeitung des schockierend frühen Tods des René Polleschs auf 100 Zeilen
Ein Treffen mit Frédéric Beigbeder im Café Flore
Die Inszenierung des demenzkranken Bruce Willis auf Instagram
Und natürlich berichtete sie vom Tag des Urteils im Prozess gegen die Vergewaltiger der Gisèle Pelicot.

Das also ist das Adorjàn-Themenspektrum: Kultur, Gesellschaft, Jahrhundertprozesse, aber auch der Trash, also die etwas unfeinen Seitenthemen, die eine Zeitung wie die FAZ oder SZ immer noch herausfordern.

Das Adorjàn-Themenspektrum: la Comédie Humaine, the big screen und die aus ihrem Blick absolut beschreibenswerte Dummheit des Mannes, der zuguckt, wenn eine Frau rückwärts einparkt — everybody’s everyday real life.

Es sind die Dinge, die einen unruhigen, nicht bescheuerten Menschen im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts beschäftigen müssen, also:
Pop, Pop, Pop, deutsches Kino, Hollywood, Literatur, Klassik, Psychologie, Hipness, Fashion, Faschismus, Feminismus, Holocaust-Gedenken, die neuesten Food-Trends, Berlin, New York, Paris.

Es ist, natürlich, ein Missverständnis zu glauben, dass man sich mit DER KULTUR, Literatur, Kino, Musik besonders gut ausgehen können muss, um fesselnd und dringlich von ihr zu erzählen:
Spezialistentum steht dem Feuilleton eher im Weg — man muss es ja dann doch alles wieder einkassieren, damit ein lesbarer Text dabei rauskommt.

Immer wieder fragen mich Leute — Nachwuchsjournalistinnen — ob man das Lernen kann, das frische Schreiben. Und welche Journalistenschule in Deutschland ich empfehlen kann.

Und ich verstehe die Frage ja.
Und ich sage den jungen Leuten dann immer:
Du kannst ein Talent/ dein Nervensystem trainieren.
Du kannst eine gewisse Professionalität ausbilden, damit du beim Einhalten der Deadline nicht die Nerven verlierst.
Aber: Lernen kann man Schreiben nicht.

Das gute Feuilleton braucht etwas faszinierend Einfaches, das sich eben nicht erlernen lässt — es braucht CHARAKTER.
Es braucht das TEMPERAMENT, die KUNST, bei der entsprechend Stimulanz eine schöne Wut/ ein Entsetzen/ eine Verzweiflung/ Liebe oder Schockliebe/ sonst irgend einen Alarm- oder Erregungszustand zu produzieren.
Eben weil Temperament nicht erlernbar, sondern ein Geschenk der Götter ist, deshalb geht es vollkommen klar, das Schreiberinnen wie Johanna so bewundert und gefeiert und hier ausgezeichnet werden.

Der glänzende Text braucht das naive, das nicht abgeklärte Ich seiner Autorin:

Ich möchte hier gerne von einem KOORDINATENSYSTEM DER GEGENWART reden, gefüttert aus Abertausenden von Daten aus anderen Zeitungen, aus dem guten, alten Fernsehen, natürlich aus dem Internet, dem Klatsch, dem Bla, das man in der Paris Bar, im Schumanns, vorne an den Bartischen im Grill Royal und an den vielen Bla-Runden an der Hamburger Schanze hören kann.

Echt wahr?
Sagt wer?
Spinnst du?
Kannst du mir den Link noch mal rüberschicken?
Im Koordinatensystem der Gegenwart up to date zu bleiben — das geht nicht mit der viel zitierten Neugier/ das geht nicht mit Strebertum.
Das geht nur mit mit einem PROBING INTEREST für alle Niedrigkeiten und Schönheiten de la condition humaine.

Als Blattmacher-Perspektive betrachtet sind Adorjan-Themen also die, mit denen man eine Zeitung aufmachen und verkaufen kann.
Ich höre die Chefredakteure der SZ um 16 Uhr mit Blick auf die so hochbrisanten Texte der Ausgabe vom morgigen Tag gucken und sagen:

„Haben wir denn nicht noch etwas von der Adorjan da?“

Für mich — und sehr viele Leserinnen und Leser — ist diese Johanna Adorjàn auf die schönste Art eine Autorin, nach der man in der Zeitung sucht.
Ganz früher mal bei jetzt, im Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung.
Von 2001 bis 2016 beim Feuilleton der FAS.
Seit bald zehn Jahren wieder bei der Süddeutschen Zeitung.
Adorjàn hat außerdem Bücher geschrieben — Bestseller wie den Roman Eine exklusive Liebe.

Was ist besser/ oft noch poetischer/ vor allem intelligenter als eine kluge und erfolgreiche Schriftstellerin? Genau, eine kluge Feuilletonistin.

Das ist kein Zufall, dass Johanna Adorjàn trotz ihrer erfolgreichen Prosa nie aufgehört, bei der Zeitung zu arbeiten — und es ist kein Zufall, dass Johanna Adorjàn neben ihren Zeitungstexten auch Romane schreibt.

Sie gehört ins Genre der Gertrude Stein und Dorothy Parker — das ist alles nicht zu hoch gegriffen, sie gehört zu Iris Radisch, Elke Heidenreich und Rachel Salamander.

Im Journalisten-Alltag — auch hier weiß ich sehr gut, von was ich rede — gibt es einige Tausend Möglichkeiten, sich mehr oder weniger oder gleich bestialisch zu langweilen.
Und: Tausend Möglichkeiten, oberflächlich, asozial, grob, zynisch und eben unfair zu sein gegenüber den Menschen.

Von Johanna Adorjàn weiß ich, dass sie sich selbst ziemlich schnell langweilt. Langweilig heißt in ihren Texten „ultralangweilig“.
Da schwingt dann genau schon jene NOTWEHR mit, die bei Langweile adäquat ist — die rechte Empörung darüber, dass ein Kunstwerk/ eine Künstler es wagt, ihr die Zeit zu stehlen und sie mit seiner Schlechtheit zu quälen.

Fünf hervorstechende Eigenschaften fallen mir zum Stil der Johanna Adorjàn ein — Moment, es sind doch sieben:

Ihr Skeptizismus.
Ihre Renitenz.
Die leichte Verzweiflung, die in jedem ihrer Text mitschwingt. Ihre Badness.
Die typischen Adorjàn’schen Geschwindigkeitswechsel.
Das ICH des Pop.
Ihre wirklich guten Gags, der sehr spezielle, immer gut grimmige und angriffslustige Johanna-Adorjàn-Humor.

WAS soll ich sagen: Sie weiß es so genau.
Sie checkt: so viel.
Sie sieht halt genau ein bissl mehr als die anderen.
Sie hört: the lies, den Schwachsinn, die Bequemlichkeiten, das schreckliche taktische Lob unter Freunden.
Sie hört: Wenn einem etwas herausrutscht.
Sie hört: wenn einer — im Erfolgsrausch — seinen Verstand verliert.

Sie ist nie klüger in ihren Texten, als sie in Wirklichkeit ist, eher ein kleines bisschen weniger klug (sehr reizvolle Strategie!).
Sie ist oft wütend, oft ein wenig kindisch wütend, und man versteht es!
Sie findet einen Sinn, dort, wo viele keinen vermuten.
Und da, wo viele Bedeutung/ Tiefsinn/ Weltbewegendes sehen, hält sie sich zurück.

Und noch mal: UNTERHALTSAMKEIT, das verbotene Wort.

Der unterhaltsame Journalismus hatte hierzulande immer — anders als in der englischsprachigen Tradition — einen schlechten Ruf.
Der Vorwurf, der generelle Verdacht lautet:
Was Spaß macht, kann so klug nicht sein.
Wer unterhaltsam ist, nimmt es mit der Wahrheit nicht genau.
Eine Pointe: Sie zeugt eigentlich schon von einem halbseidenen Verhältnis zur Wirklichkeit.

Wer Johannas Texte liest, lernt etwas anderes:
This lady always comes with a big smile on her face.
Den Geist an sich, den gibt es offenbar nicht ohne Humor.
Es ist dieser Autorin nicht möglich, etwas genau Beobachtetes und präzise Gedachtes zu äußern, OHNE dabei auch sehr, sehr lustig zu sein.

Und hier kommt eine neue Begrifflichkeit ins Spiel, die mir zu Johanna Adorjàn unbedingt einfällt:

PROFESSIONALISM (ulkig, hier ist das englische Wort auch schon wieder schöner und stärker als das deutsche).
Profitum, das ist:
Fighting Langeweile mit der Genauigkeit der Beobachtung und mit den Mitteln des Humors.

Was man in Adorjan-Texten liest:
Zum Unterhaltsam-Sein gehören ganz notwendigerweise Härte, Schärfe, Unerbittlichkeit im Urteil.

Sie kann das auch: ätzend, verletzend, vernichtend sein.
Und natürlich ist sie nicht mehr so brutal/ so gemein, wie sie als Jungstar, als Anfängerin einmal war.

Die Könnerin, sie zielt ja nicht aufs Herz — meistens ist das zu viel der Ehre. Diese Könnerin zielt auf Gürtelschnalle UND Hosenträger.

Das sind deshalb auch immer besonders schöne Momente in Adorjan-Texten:
Wenn sie nicht vornehm/ nicht scheinbar objektiv und subtil argumentiert, sondern raushaut — also die Trottel und eiteln Blender wahrheitsgemäß Trottel nennt und der Dummheit die Hosenträger wegschießt.

Den meisten Kolleginnen von Johanna würde ich raten:
Zeig doch mal etwas von dir!
Mach auf!
Zeig dein Gesicht, schreib mit offenem Visier!
Soul, Liebe, Mitgefühl — sie kann nur diejenige zeigen, die auch mit den den weniger schönen Gefühle vertraut ist und eine Sprache hat, sie beim Namen zu nennen:
Neid, Missgunst, Schadenfreude, Egozentrik, taktisches Verhalten, Eitelkeit.

Die Tendenz, sich nicht zu zeigen und hinter Emojis, Netflix-Deutsch und Sprachbildern aus der Psychologie zu verbergen, sie ist im Zeitalter von Social Media zu einer Volkskrankheit geworden:

Ich bin ironisch.
Ich lege einen Filter der Uneigentlichkeit drüber.
Ich mach mich schöner, als ich bin.

Schreiben, das ist auch Posing, ganz klar.

RICHTIG INTERESSANT wird es mit Texten im Feuilleton aber erst, wenn sie ohne Filter/ ohne Beschönigung arbeiten — und hier ist Johanna Adorjàn sehr weit vorne:

Auf eine paradoxe und sehr schöne Art ist diese Feuilletonisten-Königin die uncoolste Schreiberin von allen — eben, weil sie sich so offen verzweifelt, empört, angekotzt und begeistert zeigt.

WORDS DON‘T COME EASY.

Wir reden hier von einer Königsdisziplin — und jetzt klinge ich ungerecht und leider auch etwas elitär, wenn ich sage:
Es gibt sehr viel uninteressante Gefühle, die meisten von ihnen sind absolut banal.

Dass uns das Temperament dieser Autorin so überzeugt, dass wir immer mehr haben wollen von ihrem Witz, ihrem Soul, ihrem Sound —, das zeugt von ihrer Klasse. Ihrem unbedingten Stil. Ihrem Swing. Ihrer Musikalität.

Nur wenige: dürfen mehr von sich zeigen.

Die anderen müssen leider Podcasts aufnehmen (sorry, sorry).

WORDS DON‘T COME EASY

Und gleichzeitig stimmt natürlich das glatte Gegenteil:
WORDS DO COME EASY.

Und ich muss diesen Gedanken hier gleich weiterspinnen ins leicht Predigende/ Sentimentale:

Damit ein wirklich schöner Text entsteht, müssen Schärfe und Bosheit aufgelöst und überwunden werden — in Richtung Güte, Freundlichkeit, Humor, Gnade und Vergebung.

Kaum eine Journalistin-Kollegin fällt mir ein, die über die Jahre so die MENSCHLICHKEIT gelernt hat wie Johanna Adorjàn. Und es war bei ihr — schreibend — wirklich ein Lernprozess, als ihr Leser war ich all die Jahre dabei.

Und hier möchte ich allen Ernstes von der VERANTWORTUNG reden, von der in Journalistenschulen so gerne die Rede ist:

Ich stelle mir vor, wie diese Journalistin Verantwortung übernimmt — sehr konkret im Arbeitsprozess, im Vorgang, in dem ihre Hände sich die Tastatur des Computers greifen und unter Zeitdruck der nächste Absatz entsteht:

Moment, was ist hier genau passiert?
Was hat sie genau gesagt?
Wie hat sich dieser Moment ganz genau für mich angefühlt?
War das eventuell doch ein wenig anders, als ich es mir zunächst vorgestellt habe oder selber gerne haben will?

Der Text — das unterschätzen viele Kolleginnen — lässt immer einen sehr genauen Rückschluss zu auf die und auf den, die da spricht.

Man bliebt nicht so lange eine so erfolgreiche Journalistin, nimmt man es mit der Wahrheit nicht sehr genau.

Und so zeichnen wir hier — Hilfe — nun auch schon wieder ein echtes Lebenswerk aus.

Aus jedem Text der hier Ausgezeichneten sprechen — entschuldige, Johanna — die Verteidigung von Würde, Menschlichkeit, Vernunft. Das ist der klassische, in jeder Gegenwart absolut notwendige Humanismus.

Ach ja, eine Laudatio auf Johanna Adorjàn kann natürlich nicht auskommen ohne das Feiern dieses Instragram-Accounts:

„Hunde und Katzen tun komische Dinge“-Videos.
Die Serie In manche Fotos dichtet die heutige Sehgewohnheit ein Handy hinein.
Ihre Kurz-Literaturkritiken, die oft gar nicht sie kurz sind.

Johanna Adorjàn durfte offenbar auswählen, wer diese Laudatio zum Ben-Witter-Preis 2025 auf sie hält, und sie sich für mich entschieden:

Liebe Johanna, da hast Du natürlich eine sehr gute Wahl getroffen. Einfach — weil ich so eine Freude an Dir habe. Auch einfach: Weil ich so genau zu wissen glaube, wer Du bist.

Es war 1994 —  Johanna hatte gerade ein Studium der Theater- und Opernregie bei August Everding abgeschlossen und verkaufte im Nebenjob an der Süßigkeiten-Bar im damals nicht unwichtigen Ksar im Münchner-Gärtnerplatz-Viertel eben das, Süßigkeiten. Wir standen rauchend vor der Ksar-Bar herum, und Johanna sprach:

„Der Opern-Kram ist nichts für mich. Ich möchte dasselbe machen, was ihr macht, ich möchte Journalistin werden.“

Der junge Philosophie-Doktorrand und Condé-Nast-Redakteur, der damals mit rauchend an der Luft stand, er hieß Ulf Poschardt, und ich, wir wüssten sofort:
Sie ist schon Journalistin — in dem Moment, in dem sie den Wunsch ausspricht, gehört sie bereits dazu. Welcome.

Die vielen zitierte KRISENHAFTIGKEIT unserer Zeit!
Ach, ja.

Schon richtig, es sind diese Zeiten doch ganz andere als die von jetzt-Magazin und von Konzeptjournalismus.
Vor 30 Jahren, ich erinnere mich, schriebst Du im jetzt-Magazin ein Plädoyer dafür, das Mädchen mehr lächeln sollen.
Lange her.

Brauchen wir mehr Ernsthaftigkeit?
Mehr Georg Restle?
Mehr 3sat-Kulturzeit?
Mehr moralische Unfehlbarkeit und Selbstgerechtigkeit à la Anja Reschke?

Der Ben-Witter-Preis im Jahr 2025 mit seiner Preisträgerin Johanna Adorjàn setzt AUCH ein Zeichen
gegen Dummheit
gegen Mutlosigkeit
für Flamboyance
für Fun
für die Schönheit der Oberflächen
für die Schönheit des radikalen Subjetivismus
für die objektive Schönheit der Wissenschaft und der Demokratie
gegen die Dummheit und Stumpfsinnigkeit der neuen Rechten.
Fuck AfD.

Ach so, und weil’s gerade Spaß macht:
Hier ein paar Tipps für all die Journalistinnen, die sich Johanna Adorjàn zum Vorbild genommen haben, aber noch nicht so ganz genau wissen, wie es geht.

Seid halt nicht so brav.
Habt den Mut, mal fünf Minuten lang nicht populär zu sein.
Be funny.
Erzählt halt mal einen gescheiten Quatsch!

Ein paar Fragen an Dich, liebe Johanna, die Preisträgerin des Abends:
Kennst du eine gute Interviewfrage?
Wie benutzt du ChatGPT?
Wie steht‘s um die Angst um den doofen ersten Absatz?
Wie lange wollen wir uns diesen Job noch antun? Noch mal 30 Jahre?

Wir beide, liebe Johanna, fingen damals gerade an, uns eine Öffentlichkeit zu erschreiben, da schrieb Rainald Goetz:
„Ich bin so froh, dass es Madonna gibt — ich bin so froh, dass der größte Star auf Erden eine Frau ist.“

Ich bin so froh, dass wir diese Johanna Adorjàn haben.
Mach‘s gut, fresh girl!

Herzlichen Glückwunsch.

1. Oktober 2025, Mittwoch

„Es ist meine feste Überzeugung, du musst kein Arschloch sein, um politisch erfolgreich zu sein“ (Lars Klingbeil). Ja, gut. Vielleicht doch ein bissl. Bissl mehr als ganz doll fleißig und sympathisch sein wäre auf alle Fälle gut.

Und: vollkommen überrascht von Leo DiCaprios Performance in One Battle After Another. Er macht einmal nicht auf Jack Gesichtsverzieher Nicholson. Er lässt sich nicht gehen. Im Gegenteil: Das ist eine disziplinierte, gleichzeitig sehr selbstironische und sehr, sehr lustige Performance, er wird den blöden Oscar dafür kriegen. Glückwunsch! #korrekt

Sean Penn dagegen: I just love ihm so much, forever (weil er genau im richtigen Jahr, 1985, mit Madonna verheiratet war). Aber ist längst sein eigener Witz, Platz eins unter allen Sean-Penn-Karikaturen.

Frage an alle Über-Fünfzig-Jährigen, männlich, mittelfett:
Levis 578TM, „Baggy“. Finden das eigentlich auch alle derzeit die beste Jeans?

Ich will nicht reisen.
Ich will nicht reisen.
Ich will zu Hause bleiben.
#normal

Freitag, 10. Oktober, 19.30 Uhr:
Premiere und Uraufführung von Rainald Goetzs neuem Stück Lapidarium im Münchner Residenztheater. Regie: Elsa-Sophie-Jach.

KARTEN.

Elsa-Sophie Jach, geboren 1991 in Vorwerk bei Bremen, studierte Regie an der Hamburger Theaterakademie und Szenisches Schreiben an der UdK Berlin (…). Sie ist Hausregisseurin am Residenztheater München.

Seit drei Tagen keinen Alkohol getrunken. Und es ist leider: sehr gut. Es ballert. 💪💪

29. September 2025, Montag

Heute dem haushohen, orangefarbenen Kran mit der Aufschrift HERMANN & WITTROCK — einem Spielzeug-Kran, bloß eben ganz in Echt und in Riesengroß — beim Reinigen der Regenrinnen zugesehen: auf dem Hof stehend, am Gartenzaun, mit tief in die Jackentaschen geschobenen Händen, zehn, zwanzig Minuten lang, bald über eine halbe Stunde, in größter Ruhe, in größter Zufriedenheit auch, wie so ein Eckensteher in der Kleinstadt, wie ein Langzeitarbeitsloser, wie ein Rentner.

So habe ich mir das Glück immer vorgestellt: komplette Runterdimmung des Hirns. Null Stress. Man kommt aus dem Wenig-Tun, geht ins Wenig-Tun hinein. Im Hirn dann wirklich nur noch: „Angenehmes Wetter heute, ja.“ Und: „Guck mal, der Kran.“ Und es ist wirklich: genau so gut, wie ich mir das immer, immer — vor allem in den Jahren des größten Stresses, als Journalist — gedacht habe.

Dann einen ganzen Tag lang — das Herbstlicht im Park im Augenwinkel — IN BÜCHERN gelesen.

Bücher: ja echt nicht so schlecht. Da muss auch noch mal in großer Ruhe drüber nachgedacht werden.

Und an Anne Will gedacht — die in der Gesprächsreihe Missverstehen Sie mich richtig, neuerdings moderiert von der Hipster-Transformationsforscherin Maja Göpel, gesagt hat, Instagram sei ihr echt zu doof, da erwische sie sich dabei, wie sie sich eine halbe Stunde lang nur Kopfbälle von Cristian Ronaldo angucke: „Sorry, aber ich lerne da einfach zu wenig.“

Jetzt in der ARD, seit 20.15 Uhr: den herrlichen Naturfilm Faszination Europa/ Wildnis Natur über die vom Menschen oft unbemerkte Nachbarschaft von Tieren und Menschen. Thema unter anderem: wie sechs Millionen Ratten in der schönsten Stadt Europas, Paris, ein gutes Leben führen. Dann ein Kapitel über den Draufgänger der Greifvögel, den Sperber. Dann, ultrafaszinierend, fast zu gut, um wahr zu sein: der Sex der Gottesanbeter (gleichzeitig ficken und sich gegenseitig auffressen).

Vorfreude jetzt schon auf One Battle After Another, den neuen Film von Paul Thomas Anderson mit Sean Penn und der Method-Acting-Nervensäge Leonardo DiCaprio (Paul Seehausen aus 16792 Zehdenick schrieb per WhatsApp, den solle ich mir bitte sofort angucken, er halte das für die Zukunft des Actionkinos, nächstes Kapitel, er wolle mit mir darüber reden — wie schön). Sich um 16 Uhr nachmittags in einem Cineplex-Kino in Rabertz (Markredwitz) 170 Millionen Dollar spent in Hollywood durch den Kopf rauschen zu lassen: kann nicht schief gehen, das wird auf alle Fälle gut.

24. September 2025

Adam per SMS, er hat mein Leif-Randt-Getobe vor ein paar Tagen auch gelesen: „Fiese Möpp bist du.“

Möpp, sehr lustig. Er, Adam, hat seine Schulzeit, wie ja allgemein bekannt ist, in Koblenz vebracht, dann, soweit ich weiß, in Bonn studiert, altes Westdeutschland, NRW. Da redet man so: Möpp. Wirklich lustig.

„Du hast natürlich nicht geschrieben“, so Adam weiter, „dass Du das Buch in Wahrheit ganz toll findest.“ Stimmt, das hatte ich nicht extra geschrieben, ich dachte, das teilt sich ganz automatisch mit, ist nicht so?

Leif Randt selbst jedenfalls hatte es intuitiv richtig verstanden. Er ließ mir, in wirklich ziemlich guter, genau genommen sogar richtig toller Großzügigkeit, über Insta ausrichten: „Viel Spaß auf der Wiesn, Honey.“ Schön!

So muss sich Maxim Biller das doch immer gewünscht haben: dass man sich in der Öffentlichkeit komisch kabbelt und gegenseitig vorführt, sich in Wahrheit aber fundamental respektiert. Besser als andersrum — ich meine, besser als sich in der Öffentlichkeit mit anödenden, verlogenen Komplimente zuzuseiern, sich aber hinterrücks nur Scheiße an den Hals zu wünschen. Das, liebe Leserinnen von MadW, ist not one of the problems of Leif Randt und Moritz von Uslar.

Tag sonst heute:
Gut zwei Stunden mit dem Herrn Förster im Wald.
Der Biber.
Der Einschlag.
Die Niederschläge.
The Fischotter-Abwehrzaun.
Vorbesichtigung Weißtanne als potenzieller Weihnachtsbaum für die Stadtmitte Schönwald.

Manchmal stimmt: einfach alles.

Jetzt: mit Riesenfreude, auf dem großen blauen Sessel mit der LIEGENEIGUNG liegend, Lektüre der Johanna-Adorjan-Rezension von Woody Allens Roman What‘s With Baum? in der SZ. Man denkt, das kann nicht gut sein, das Buch, woher auch. Und so ist es dann auch: „eher ganz nett als lustig (…) wie einer der müderen Woddy-Allen Filme“. Die Leistung von Johannas Rezension besteht darin, dass sie zeigt, dass es möglich ist, eine halblange, angemessen halbinteressierte Rezension von Woody Allens erstem Romans zu schreiben, ohne die ganze „Darf man mit der adoptierten Tochter von Mia Farrow ein Verhältnis haben und mit derselben Tochter später eine Familie gründen?“-Geschichte noch mal zu erzählen und zu bewerten. 

Das noch.
Ach, und dieses und jenes noch.

Und die Zeit zwischen zwei und fünf Uhr nachmittags dehnte sich auf gefühlt acht Stunden (das gibt es nur hier im Wald).

Oida, das Rindsgulasch, das es heute Abend gegen halbacht geben soll, ist jetzt schon so gut.

21. September 2025

ÄSTHETISCHE DISZIPLIN.

Und ich blies, drei Stunden lang, über die glitzernde A93 und A9 in die Stadt München.

Und noch mal alles anders. Ich mag den neuen Leif Randt — so wie alle Leif Randts zuvor — nun doch überhaupt nicht. Alles an dieser Literatur ist engherzig, brav, ängstlich, ehrgeizig, verschraubt, wie mit zu wenig Spucke im Mund geschrieben. Es ist, das auch — das ist seine Kunst, da ist er stolz drauf, schon klar, schon klar — sehr unsexy.

HAHAHA.

Unisex-Literatur.
Topfpflanzen-Literatur.
Grüntee-Literatur.
„Die Tortilla ist geisteskrank lecker“-Literatur.
Face-Yoga-Literatur.
Literatur für Ijoma Mangold und Lars Weißbrodt und die Hörerschaft der Sogenannten Gegenwart.

Und zwischendrin gibt es immer noch etwas lauwarmen Sake.

Die Rolle, die das Wort Mode in diesem Buch einnimmt — was soll das überhaupt, „Mode“? Das Wort benutzen Boutiquenbesitzer, Style-Spießer aus dem Berlin der 2020er. Und eben dieser Autor.

Ich weiß, das Buch handelt ja genau von ihm: einem Boutiquenbesitzer. Ich weiß auch: Das ist ein klassischer Generationen-Konflikt — wie ich hier den armen, braven Leif Randt ganz unzeitgemäß viel zu aufgeregt und aggressiv nicht gut finde. I may sound wie der Rock-Kritiker von 1976, der mehr Gitarren fordert und dem jungen, kühlen und eleganten Elektro-Pionier aus der Zukunft (ab 1978) vorwirft, nicht genug SOUL zu haben. Haha. Möglich.

Wer dieses Buch doch gut finden möchte, der braucht übrigens nur die sehr angenehme — angenehm tiefe, sich natürlich gar nichts scheißende, gut vor sich hindödelnde — Lesestimme des Hörbuchs im Aargon-Verlag zu hören (der Autor liest selbst).

Und er ist immer: lieb. Soft. Fully unaggressiv. Well balanced. Weich massiert. Face Yoga. Klar. Klar.

Ich will einfach nicht in dieser engen, durchgeharkten, nach Spießer-Kriterien vorsortierten Radler-Kappen-Ironie-Welt gefangen sein — es scheißt mich an, es ist wie Kapsel-Kaffee von Nespresso trinken oder diese ultra-sozialdemokratischen, extraweiten japanischen Regencapes und Fleecejacken tragen, die dieser Autor so liebt, es ist wie der Alptraum von Pop (alles missverstanden, sorry, sorry). Piet, der gute Freund des Boutiquenbesitzers Marian Flanders in Let‘s Talk About Feelings, würde sagen: „Es ist Knast.“ Fuck off, Berlin-Schöneberg-Spießer. Fuck off, Unisex-Literatur.

Kaiserwetter.

Wiesn oder doch keine Wiesn?
Natürlich Wiesn.

Die Laune ist zum Platzen gut.

20. September 2025, Samstag

Sonne! Uff, schon wieder.

Beim Frühstück spielt mein Handy das Treffen der Power-Brains und Extremunterhalter Micky Beisenherz und Philipp Oehmke ab: extrem unterhaltsam, natürlich. Bei Apokalypse und Filterkaffee reden die beiden auch über ihre Traum-Bodys und wie man im Alltag wegsteckt, so gut auszusehen — da geht natürlich Einiges! Micky trainiert, seitdem er 15 ist, Oehmke bringt den für Steroide zuständigen Minister Robert F. Kennedy Jr. als Fitness-Vorbild ins Spiel (Beisenherz: „Wenn man es zu sehr will, ist es nicht gut“).

Es geht nun AUCH um die literarische Qualität von Fitnesstraining und Gymbesuchen, im Gegensatz zur Roman-Tauglichkeit von Baseball, Tennis, Fußball etc. (Einigkeit bei beiden: Das ist kein literarischer Stoff, wenn erwachsene Männer, vor Spiegeln stehend, sich die Arme dick machen).

Philipp, der seit der Jahrtausendwende immer wieder in den USA gelebt hat und vom Land der merkwürdigen Amerikaner im sehr Kleinen und ganz Großen vielleicht mehr verstanden hat als alle ehemaligen USA-Korrespondenten zusammen, ist natürlich the man, wenn es heute noch mal um die Absetzung des Late-Night-Talkers Jimmy Kimmel geht: Ist das jetzt sehr schlimm oder doch gar nicht so schlimm?

Es ist natürlich ein echtes Ultra-Alarmsignal — und galt, auch im Lager der Trump-Apokalyptiker, bis vor kurzem noch als unvorstellbar: „Wenn eine der mächtigsten Entertainment-Figuren der letzten zwanzig Jahre so entsorgt werden kann, dann gibt es keine Grenzen mehr“ (Oehmke). Beisenherz fällt zur Faktizität des Schocks um den kaltgestellten Komiker kaum ein guter Gag ein — verständlich: Es ist eben gedanklich für uns arme Europäer eine große Herausforderung, wirklich klarzukriegen im Kopf, dass in den USA zur Jetztzeit — also in der ganz derzeitigen Gegenwart — gerade die Pressefreiheit unter Feuer steht.

Oehmke: „Dann kommt ein orwellscher Bürokrat wie dieser Brandan Carr, Chef der Überwachungsbehörde Federal Communications Commission, hinter dem Sofa hervorgekrochen und sagt: „We can either do it the hard or the easy way“ —  das ist schon alles sehr, sehr schwer zu ertragen.“

Zwischendrin, man mag so was sehr (und dafür hört man ja auch den Beisenherz-Podcast), geht es auch noch mal um die Frage, ob ein technical gadget wie die neue Apple-Brille nur noch nervt und Depressionen auslöst oder doch noch für irgend ein Excitement sorgen kann (da geht es, logisch, um nicht weniger als die Frage, ob das Leben an sich, zu dem wir alle verurteilt sind, irgendwie noch machbar ist): gemischte Gefühle. Philipp-Ich-habe-neulich-zufällig-beim-Mittagessen-Jeremy-Strong-von-Succession-getroffen-Oehmke: „Ich umarme so was schon.“

Ab 12 Uhr: Willkommen zum Bürgerdialog. SPD-Bürgermeisterkandidat Markus Korlek baut am Kreuzstein, Alte Rehauer Straße in 95173 Schönwald, seine rote Bank auf.

Heute Abend: fettes, dunkelrotes Kreuz im oberfränkischen Gesellschafts-und-Kultur-Kalender. Die Oper Hof eröffnet die Spielzeit mit Eugen Onegin.

19. September 2025, Freitag

Der Blick vom Forstbüro-Fenster, im Erdgeschoss gelegen: ins Grün hinein. Und auf eine schon etwas müde, schlaffe Rose.
Kühle, nasse, gleichzeitig warme Luft.
The Vöglein.
Das wird heute wieder warm.
Von oben, im dritten Stock: klassische Musik, was hört man da? SMS an den Onkel, gegen 8.50 Uhr: Was spielst du da für Musik?
Oh ja, das zweite Brahms-Klavierkonzert, erster Satz, Backhaus, Schuricht, sehr lebendig. Jetzt geht es in den 2. Satz: „Celloschnulze, aber schön.“

Ganz hinten, hinter den Parkbäumen, rauscht die Autobahn.
Der Förster darf heute Morgen ruhig später das Büro betreten, entschuldigt,  er war gestern, so wie an all diesen September-Abenden, kurz vor Haarwechsel, auf der Jagd.

Was ist das bitte für ein wundervolles Leben?

Bei Dunkelheit: Mit dem motherfucking E-Bike vom Pfarrhaus kommend, etwa fünf Kilometer lang, durch den stockdunklen Wald nach Hause. Totale Finsternis. Unsicher gefühlt.

Die Idee: Jetzt greift eine Bache gleich das E-Fahrrad an (totaler Quatsch, natürlich: Eine Wildsau attackiert ein E-Bike? Noch nie gehört. Das ändert ja nichts daran, dass die IDEE trotzdem gut ist).

#Normalität

18. September 2025, Donnerstag

Kompliziertes Schreiben wegen einer Forsteinrichtung. Was wollen wir jetzt — bei der Forstkarte — anders haben, wo ist die unausreichend, wo fehlerhaft?

Immer noch nicht ganz kapiert, nach nun 18 Monaten Kein-Berlin-mehr, dass ich hier jeden Morgen IM WALD aufwache (der Kopf hält das hier immer noch für Mehringdamm in Kreuzberg 61, ein fast schon tragischer Fehler). Morgens erst einmal die Allee rauf- und wieder runterlaufen, dabei in den Wald reingucken und reinhören, wie macht man das genau?

Ein warmer September-Donnerstag fährt hoch. Später bis zu 25 Grad.

Nachricht von (…) genau. Er schreibt gerade an seinem zweiten Roman.

Melle auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, er gilt als Favorit. Und schon geht einen dieser Buchpreis in diesem Jahr doch wieder etwas an.

Mist, die Rehauer Kulturtage (12. bis 14. September) habe ich auch in diesem Jahr vollständig verpasst.

Aus der Rehauer Geschäftswelt machten mit: Geyer Schuhhaus, Fellnasenfreunde Hochfranken, Buchhandlung seitenWeise, JeansOase, Rossmann, Schreibwaren Winterling, Leder-Gläßel.

Aus dem Programm:
Ausstellung Die Zeit am seidenen Faden mit Künstler Roland Lein
Konzert mit Evergreen Express
Vernissage Die Kraft der Elemente von Künstlerin Regina Saller und Colourful von Künstlerin Simone Weiland
Wirtshausnacht
Stuhlkonzert, The Fellow Rovers
Frühschoppen mit Hannes Wölfel im Fränkischen Hof

Woran einen die Rehauer Kulturtage erinnern: Kultur darf ruhig Spaß machen. Und: Künstler müsste man sein!

Wie schon öfter festgestellt: Man kann der Kultur in der Großstadt gut entkommen, in der Kleinstadt geht das kaum (nicht blöd gemeint, es ist ja wirklich sagenhaft, was die hier alles aufstellen, natürlich!).

Aus der Frankenpost: Peter Berek kandidiert erneut als Landrat für Bayerns finanzschwächsten Landkreis Wunsiedel. Oliver Weigel, Vorsitzender der CSU im Landkreis: „Wir wissen, was wir an unserem Peter Berek haben.“ Stimmt, das ist auch schon bis zur mir durchgedrungen, dass es an dem wirklich nicht liegt.

17. September 2025, Mittwoch

Das ganze Prinzip, dass Hollywood-Stars (Leo DiCaprio und der andere hier, wie heißt er gleich, Sundance Kid, Robert Redford) im Nebenberuf auch Umweltaktivisten sind: Ist das gut? Ist es, vor allem, auch erfolgreich? Ich glaube, ich bin eher dafür, dass es Umweltaktivisten mal in Hollywood versuchen, viel interessanter.

Anna schrieb gestern: Bist du traurig wegen Robert Redford? Nee, okay, ich komischerweise auch nicht.

Und man sagt dann, weil es das ist, was man jetzt sagt: Aber die  Fahrradszene in Butch Cassidy and the Sundance Kid, die Fahrradszene! Ist ja auch eine der unerklärlich schönsten Szenen der Kinogeschichte (dabei ist sie, die Fahrradszene, natürlich mit dem riesigen Paul Newman, dem Kumpel, anderen, älteren der beiden, mit dem er, Robert Redford, der jüngere, sich die langmähnige Hippie-Königin Katherine Ross teilt). Und einer der schönste Liebesfilme der Kinogeschichte ist es sowieso, sowieso.

Weinender Merz, Kipa tragend. Gegenschnitt: Rachel Salamander, mit ratterndem Kopf. Was passiert hier gerade? Wo sind die Kameras? Kann ich dem glauben, der da vorne weint? Warum findet das eigentlich so selten statt, dass ein Mensch, über die Shoa redend, mit den Tränen ringt?

„Ich möchte Ihnen sagen, wie sehr mich das beschämt.“

Die Tränen des Friedrich Merz waren ja nicht deshalb wahr und ganz das Gegenteil von einem PR-Moment, weil da ein Kanzler weinte. Sondern weil ein in public Sprechender versuchte, nicht zu weinen.   

„Das, was unsere dänischen Nachbarn gemacht haben, vor nicht all zu langer Zeit …“ (Moritz Schularick)

Schularick, der neue Christian Drosten, extrem gut informiert, ultra angenehmer Sprecher, moderner, halblanger, wuscheliger Haarschnitt, leicht genervt, was auch immer gut kommt, plus dem irgendwie originellen, romantisch abseits gelegenen Heimatort Kiel. Von Moritz Schularick würde ich mir auch Ehe-Tipps geben lassen, er ist krasses Sachbuch-Bestseller-Material.

„Darum ist Trump immer so orange“ (Bild).

Leif Randts Feelings sind natürlich genau so gut, wie Andreas Bernard — komplett klar, wie immer — schon vor Wochen am Telefon erzählte. Ich kann immer nur acht bis zehn Seiten lesen, it is too intense. Er spielt, schreibend, könnerhaft mit dem Gaspedal, immer nur ganz bissl antippen, hören, wie der Motor klingt, bloß nicht zu viel Gas. Auf Seite eins kommen in der Aufzählung von „gekühltem Mineralwasser in kleinen Glasflaschen“ und „hellgrünen Apfelschnitzen“ auch noch die, Achtung, „lauwarmen Salzbrezeln, in Stoffservietten eingeschlagen“: Es ist so einfach — es sind diese Momente, an denen man merkt: Okay, Könner am Werk, da lasse ich mir jetzt viel sagen, da höre ich jetzt ganz genau weiter zu. Das wird gut.

Harvester seit heute wieder im Einsatz. Fürs Geschäftsjahr 2024/ 25 fehlen noch rund 800 Festmeter.

8. September 2025, Montag

Nachricht aus 16792 Zehdenick, per Sprachnachricht gesendet — in der Stadt spielt sich eine sagenhafte Posse ab um einen parteilosen Bürgermeister, der sich in einer Stichwahl gegen einen aus Berlin stammenden AfD-Kandidaten durchgesetzt hat und sich seither (genauer: seit Tag zwei seines Amtsantritts) mit Attesten von ihm offenbar wohl gesonnenen Ärzten krankmeldet, es geht natürlich auch um die Bezüge, die so ein Bürgermeister einer brandenburgischen Kleinstadt, der offenbar nie vorhatte, bei seiner Arbeit anzutreten, seit seiner Wahl, also seit März dieses Jahres, kassiert (das sogenannte Ruhegehalt) — effektiver kann man einer hier eh schon angezählten und tödlich schwachen Demokratie keinen Schaden zufügen als der gewählte Bürgermeister, der offenbar für niemanden, weder postalisch, noch per Telefon, zu erreichen ist (währenddessen hat die AfD ein Abwahlverfahren initiiert, über das nun in großer Koalition aus CDU, SPD, GfZ (Gemeinsam für Zehdenick), BfZ (Bürger für Zehdenick), WS (Wählergemeinschaft Schorfheide), Linken, Grünen und AfD am 18. September beraten und entschieden werden soll). Man kann sich das nicht ausdenken, eigentlich müsste der Spiegel einen Titel über diese Vorgänge bringen. Zeile:

WATT? WER? Wie in einer brandenburgische Kleinstadt die Demokratie durch Doofheit — oder war es Verrat? — verlorenging.

Danke an dieser Stelle auch an Trainer Micha Ungar, der mich mit Texten aus der Gransee-Zeitung und Märkische Allgemeinen über das letzte Kapitel der AfD auf ihrem langen, schwachsinnigen Weg an die Macht auf dem Laufenden hält.

Und hier nun die Sprachnachricht, haarscharf an diesen Vorfällen vorbei, dafür aber ums so lustiger, in the good old Deutschboden-Slang, von der Romanfigur Raoul Seehausen:

„Moritz, Moooooritz — ja, genau, so bekehren wir die ganzen Fleischesser: Wir vergleichen sie mit dem zwanghaften Wurstfresser Markus Söder, und dann kommen sie alle aus Scham zu uns, exakt so läuft das. Vegetarier aller Länder, vereinigt euch.

Schöne Grüße nach Zürich! Passender Herbstanfang, passender Endsommer. Riesenlust auf Oberfranken — hatte auch schon vor, mal vorzuschlagen, mal vorbeizukommen, man hat ja Autos und alles, man ist ja easy unterwegs, aus Fernfahrer-Sicht allet nur ein Katzensprung. Gerne auch schon im Oktober — am besten noch, bevor Battlefield 6 auf der Playstation 5 erscheint, denn könn’ wa schön zusammen ma‘ wieder paar Bierchen trinken und schön vegetarisch watt zusammen essen. Ich kann dich da gerne mit Rezepten inspirieren.

Ansonsten: Hier läuft mein schönes Big-Lebowski-Arbeitslosen-Leben, noch dieses Jahr, es ist so herrlich, aaaaah, es tut so gut — nichts tun ist so geil, es ist so voll mein Ding. Ick liege hier, werde gleich noch watt zu fressen einkaufen, weeßt‘ ja, und ich habe auch schon einen dicken, fetten Joint geraucht. Also, schöne Grüße! Alles ist gut. Alles ist gut.“

Ja, alles gut, schönen Gruß, liebes Paulchen und lieber Carli, vom schon zweiten Kaffee im Bellevue-Pavillon. 

 

7. September 2025

Der FlixBus-Fahrer sieht, wie alle FlixBus-Fahrer, wie der neue polnische Präsident Karol Nawrocki aus (war ja neulich auf Antrittsbesuch bei Präsident Trump). Verschlagen. Fleischige Ohren. Nicht ungefährlich. Er lässt sich da stumm die indischen, pakistanischen und srilankesischen Pässe zeigen.

Die sehr klassische FlixBus-Passagierin nehmen mir: noch recht frisch mit der Schule fertig, Samthose, Dr. Martens, langärmeliges T-Shirt (schwarz) unter kurzärmeligem T-Shirt (weiß), JBL-Kopfhörer, empfindsames Metallbrillengestell, Sudoku, und die unvermeidlichen REISCRACKER. Brösel, brösel, ja.

Ich wie immer links auf einem Doppelsitz: damit die Wahrscheinlichkeit, nicht der eine dumme Tote zu sein, sondern zu den nur Schwerverletzten zu gehören, wenn der Bus wieder rechts in die Böschung kippt, gegeben ist.

Ganz groß auch im FlixBus: dass eben keine Musik läuft.

Wer im FlixBus keine Literatur schreiben kann, der kann es nie.

Aufmacher von Claudius Seidl im SZ-Feuilleton (…)  Hierzu an anderer Stelle mal mehr. Welcome back to the Süddeutsche, lieber Claudius!

Eben geguckt, wo jetzt noch mal die nächsten Landtagswahlen stattfinden, wegen denen doch jetzt alle so aufgeregt sind (inklusive mir):

Baden-Württemberg 8. März 2026.
Rheinland-Pfalz 22. März.
Sachsen-Anhalt 6. September.
Berlin und Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2026.

Kommunalwahlen sind gleich jetzt, am kommenden Sonntag (14. September) in NRW, im März dann in Bayern.

In den hardrockenden, den bösen Kommunen im Ruhrgebiet — Gelsenkirchen, Duisburg, Essen II, Reckllinghausen — werden es Festspiele für die AfD.

Und auch das noch mal hinschreiben, damit es sackt:
AfD in Sachsen-Anhalt 39 Prozent, CDU 27 Prozent.
Im Osten will eine Mehrheit den lupenreinen Nationalsozialismus zurück.

Problemlösen? Hau ab mit Arschloch scheiß Problemlösen, du Arschloch.
Wir wollen Zerstörung.
Hass.
Abschottung.
D-Mark.
Bargeld.
Verbrennermotoren.
Alle Windräder umsägen.
Atomenergie.
Russisches Erdgas.
Volksmusik.
U.S.-amerikanische Race-Musik auf den Index.
Ausgehverbot ab 23 Uhr.
Todesstrafe für Kinderschänder und grüne Kommunalpolitiker.
Deutsche Nationalmannschaft (DFB) nur noch mit Spielern mit deutschen Vor- und Nachnamen.
Deutsche Burger (Schweinefleisch mit Sauerkraut).
Deutsche Unterwäsche (Trigema).
Deutsches Sexspielzeug (auch Trigema).

Grüne: verbieten.
Opposition: verbieten.
Öffentlicher Rundfunk: verbieten.
Englisch sprechen auf Pausenschulhöfen: verbieten.
Internet: auch verbieten.
Wir wollen überhaupt mehr russische Zustände in Deutschland: lernen von Russland.
Liberales Deutschland: abschalten, verbieten.

I am not joking, man, das sind exakt die Forderungen, die ich 2009 und 2019 bei meinen Deutschboden-Recherchen — damals noch halb im Ernst, beim fröhlichen Biertrinken — im Bundesland Brandenburg gehört habe. Nun ist das Konsens — werden diese Positionen bei der nächsten Landtagswahl auf Platz eins gewählt. Mehr Russland in Deutschland wird: umgesetzt.

Drei fröhliche Techno-Kinder auf dem Rückweg vom Tankstellen-Kiosk zum FlixBus, rumalbernd, lachend, halbnackt, halblange, wuschelige Haare, die Girls tragen BHs zu Adidas-Hosen, der Junge ein Konzert-T-Shirt. An der Raststätte Bodensee in Hörbranz, Österreich, hatte der Bus Halt gemacht, nun möchte er weiterfahren, fährt schon wieder an.

Die Kinder bleiben stehen, fassungslos, winken, brüllen, bleiben nun endgültig stehen, brüllen weiter, hey, hey, das gibt’s doch nicht, Hallo? Halloooo! Aber nein, der Busfahrer, unser Karol Nawrocki, zieht ab, lässt das leuchtgrüne Schiff Richtung Autobahn rausschwenken. Fuck lustige Techno-Kinder, die die Abfahrtszeiten nicht respektieren (nein, nein, die Kinderlein haben es dann doch noch auf den Bus geschafft, irgendwie, aber es war knapp!). 

Zoll Diepoldsau.

FlixBus X06 von München nach Zürich ist pünktlich.

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