moritz von uslar
meldungen aus dem wald

17. März 2025, Montag

Still visiting the old south, the ante bellum America (Philipp Oehmke).

Wir fahren mehr Highways als Freeways.

Wunderbar swingende, das Hirn auf Minimalfunktion stellende Ödnis.

Knapp mehr Kirchen als Wohnhäuser:

Forgive my sins, Jesus/ Save my soul.
Beyond reasonable doubt: Jesus is alive.

Ein Highlight ist eine Filiale der Großkaufhaus-Kette Boot Barn. Wester and Work Wear, niedliche mexikanische Verkäufer, sehr geile Polyester-Cowboyhemden, all made in Bangladesh. Beim Bezahlen die Frage, ob man die Truppen im Ausland mit einer Spende oder MIT EINEM PAAR SOCKEN unterstützen möchte (Boot Barn Holdings, Inc., America’s largest western and work wear retailer, is partnering with Operation/ Care and Comfort to support active military troops serving overseas with its semi-annual “Socks for Soldiers” event), okay.

Wir haben es komplett aufgegeben, eine irgendwie coole — Entschuldigung, jaja, aus Berliner Perspektive coole — Kleinstadt oder größere Stadt zu finden, das gibt es nicht. Die dunkel schimmernde Bar, den Diner aus den Fünfziger-Jahren, den man ja in der Konsequenz immer wieder sucht: gibt es alles nicht mehr. Stattdessen: wunderschöne Tankstellen-Wastelands, die immerselben Fastfood- und Hotelketten. Die Hässlichkeit des corporate America, es ist ja eh das Allerschönste und Poetischste, klaaaaar. (Merke gerade, wie lustig es ist, das flache Land der USA der treuen Leserschaft von MadW zu erklären, es weiß ja eh jeder — außer uns — wie dieses Land aussieht und funktioniert).

Lars Jensen reicht noch eine sicher auch inhaltliche sehr stichhaltige und wahre Nachbemerkung zu meiner, natürlich, komplett unqualifizierten und flapsigen Feier des New Yorker Minderheitsführer der US-Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nach — ich hatte Lesebrillen-Schumer als eleganten alten Herrn und Stylekönig bezeichnet. Man liest, how literally angekotzt mein alter Freund Lars Jensen von diesen Leuten sein muss, die Amerika ruiniert und das Land an die Trumpisten ausgeliefert haben:

„Chuck Schumer ist übrigens nicht der letzte elegante Demokrat, sondern das allerletzte Stück Dreck, die feigste, kaputteste, stumpfeste Demokratensau, die Verkörperung von allem, warum es für dieses Land keine Hoffnung gibt. Die gesamte Partei, zumindest die Leute, die nicht in direkter Abhängigkeit von Wall Street und Silicon Valley stehen, sind außer sich vor Wut und fordern Schumers sofortigen Rücktritt. Seine Zustimmung zu dem Haushalt wird nur von einem begrüßt, und zwar von Trump, der dank Schumers Verrat am amerikanischen Volk unbegrenzte Macht über den Haushalt bekommen hat. Um diese Situation zu verhindern, wurde vor 250 Jahren die Verfassung geschrieben. Es ist einer dieser Schlüsselmomente, die in hundert Jahren in allen Geschichstbüchern stehen werden. Schumer gehört zu der Sorte seniler Demokraten, die es immer noch wichtiger finden, einen bipartisan compromise zu finden, statt die faschistische Revolution zu verhindern.“

Das quintessentielle amerikanische Gedicht:
Shallow water
No diving allowed
No lifeguard on duty
Swim at your own risk.

Total begeistert bin ich (#normaal) von den amerikanischen Dusch-Armaturen — es gibt nur einen Hebel, mit dem allerdings lassen sich gleichzeitig Wasserstärke und Temperatur hochdrehen, genial (das Prinzip: Wer mehr Wasser will, der will auch gleichzeitig heißer duschen, so ist der Mensch, so läuft das Leben).     

Schon neun Uhr früh morgens hier im hässlichen Hyatt Hotel in Knoxville, Tennessee, guten Morgen. We got to go.

16. März 2025, Sonntag

HAHAHA. Über Nacht traf dann eine längere WhatsApp-Nachricht meines guten Freundes Lars Jensen ein, er lebt seit vielen Jahren (seit zwanzig?) in NYC — ich hatte ihm eine ein wenig hysterische Sprachnachricht hinterlassen, mit der Frage, wo denn unser cooles und rouges Amerika bleibe, das man gut auf Instagram veröffentlichen könne, wir seien ein wenig enttäuscht.

Lars‘ herrliche Antwort — ich zitiere mit Erlaubnis dieses sehr guten, auch immer sehr gut informierten und amüsant formulierenden Journalisten:

„Haha! Amerika IST Taylor Swift. Es gibt kein cooles, roughes, schwarzes Amerika. Das existiert nur in Filmen. Die paar Orte, die funktionieren, wurden komplett vom weißem Großkapital annektiert und in eine pinke Höllenlandschaft verwandelt. Deswegen verlasse ich New York nicht mehr.

(…)

Wenn ihr Rough und Cool wollt, müsst ihr nach Queens oder Harlem. Vielleicht auch Detroit. Aber sowas festzustellen, ist ja der Sinn eines Roadtrips. Charleston in der Steueroase South Carolina existiert in erster Linie für weiße Millionäre aus dem Norden, die keine Steuern zahlen wollen. Savannah ist ehrlicher, aber auch sehr weit weg von cool und rough. Wenn ihr es weniger aufgeräumt wollt, müsst ihr in eher heruntergekommene Städte wie Memphis oder Birmingham fahren. Und ihr müsst weiter nach Süden, Mississippi und Louisiana. Cancer Alley ist spannend. Und New Orleans finde ich tatsächlich super, es hat in den Außenbezirken auch eine gute Roughness.“

Lars warnte uns dann noch vor den tödlichen Wirbelstürmen, die weiter im Süden tobten, okay!

Hier jetzt Drip-Coffee aus der guten Keurig-Maschine (Best Western Inn). Gleich dann, nach dem Morgenkaffee, Aufbruch zur Sea Coast Mega Church in Mount Pleasant (10.000 Christen, die den Lieben Gott sagenhaft doll lieb haben), wir werden uns dieses Amerika, und das mit sehr guter Laune, I am telling you, weiter angucken. 

15. März 2025, Samstag

And we’re hitting the SOUTH.

US Highway 17, crossing the border between North and South Carolina, heading Charleston. Morgen Savannah. Am Mittwoch dann, offenbar: Nashville, Tennessee.

Unser lustig klappriges Avia-Mietauto, ein KIA, das loweste vom lowen (komplett okay).

KFC
Wendys
Smithfields
Chick n‘Bar BQ
Chick-fil-A
Five guys
Arby‘s
Hardee‘s
Bojangles
Dunkin‘ Drive Thru
The Lord Food pantry
Waffle House 24hrs

Adopt a highway

Authorized vehicles only

High men‘s seafood
Jim‘s car care
Urgent care 7 days a week

New homes ahead

Ford
Chevrolet

St. Pauls waccamaw methodist church
Bethel rimitive baptist church

JESUS SAVES (#Angst)

Injured? Just call JOYE.

Wrong way
Be prepared to stop.

Offenbar wurde gestern, einmal mehr, ein Shut Down verhindert (Thanks to Mr. Lesebrille, the last elegant Democrat, Sir Chuck Schumer). Und wir HABEN ES NICHT MITGEKRIEGT. Man kriegt hier sowieso eher wenig mit, auf den endlosen Fahrten durch das große Land. Wir genießen die endlose Hillbully Music (WKKY Country Radio 104.7 FM). Und wir quatschen — wie schön ist das, bitte — einfach durch.

Das Phänomen Trump ist eins, über das im ALTEN EUROPA praktisch unterbrochen berichtet und gesprochen werden muss, natürlich. Hier im neuen Amerika interessiert das offenbar weniger, es wirkt alles gespenstisch normal. Würde man mich fragen, wie Amerika auf der 20-Stunden-Autofahrt zwischen New York, Philadelphia, Washington, Richmond, Norfolk, Rocky Mount, Wilmington und Myrtle Beach (Atlantic Ocean) denn bisher so wirkt, ich würde sagen: seltsam reich. Preppy. Corporate. Überrenoviert. Das Land der Swifties. Eben: Taylor Swifts Amerika. 

Zuletzt hatte ich in Kalifornien ein brutal angezähltes und himmelschreiend elendes Amerika erlebt (Obdachlose). Zumindest in den Südstaaten, spätestens dann ab dem Swing State North Carolina, hatte ich krasse Armut, brennende Mülltonnen, Slums erwartet. Stattdessen sehen wir — auf unserer etwas unbedarften Tour durch den Süden — ein Amerika, das wie die Shopping Mall eines chinesischen Flughafens wirkt. Nach acht Tagen USA: There is a lack of soul, of Rock’n Roll, of Rhythm‘n Blues, of danger. Man könnte in den Norden Charlestons fahren, das die NY Times zu den zehn gefährlichsten Gegenden des Landes zählt, aber dann wäre man ja wirklich ein sehr ahnungsloser, behämmerter deutscher Tourist.

Ach so, es ist exakt so schockierend teuer, wie alle USA-Reisenden in letzter Zeit immer berichtet haben. Zwei Kaffee (ohne alles, kein Espresso, kein Cappuccino), zwei Flaschen Wasser dazu: 25 US Dollar. Oh! Zwei Büchsen Bier, please add wahlweise 20, 25 oder 35 Prozent Trinkgeld: 18 $.

Marlene Knobloch in der ZEIT: Why is Country cool again?

Jetzt gerade noch, haha, die Tagesschau auf dem iPad gesehen. Vermisse mein soulful Oberfranken.

Fuck Trump.
Fuck den Jesus Christus der MAGAisten.
Fick dich, weißes, fettgefressenes, plattfüßiges, flacharschiges, dicknussiges, nach Käse und Best Fruity Diptyque Baies Room Spray riechendes Bibelchristen-Amerika.

Aber ja, die Zigaretten auf den Verandas der billigen Motels schmecken immer noch köstlich.

Gute Nacht, Leude, aus dem Best Western Charleston, 1540 Savannah Highway.

12. März 2025, Mittwoch

Nach zwei Tagen NY City: dritter Tourtag durch die USA.

Fahren.
Fahren.
And just: keep on driving.

Man sieht auf Freeways ja komischerweise immer oft nicht so gut in die Landschaft hinein, die Fahrbahnen mit ihren acht oder zehn Spuren sind einfach zu breit. Das verstärkt das Zenhafte beim Auf-amerikanischen-Autobahnen-Fahren.

Das Lustige bei mir ist, dass ich gar nicht mal so gut Auto fahre, wie man vielleicht denken könnte (muss beim Spurwechseln immer zusehen, dass ich den lautlosen Convertible, der von hinten angerauscht kommt, nicht übersehe). Gleichzeitig fahre ich seit 1989 und das absolut unfallfrei. Der Gag ist, dass ich eben weiß, dass ich keiner dieser natürlich guten und traumhaft sicheren Autofahrer bin und deshalb wirklich immer auf der Hut bin.

Die Regeln sind die allgemein gültigen auf Reisen: im Zweifel immer gar nichts oder noch weniger machen und noch einen Tag länger bleiben. Man will eher gar nichts. Alles kommen lassen. Möglichst wenig Instagram, möglichst wenig Ehrgeiz bei der Auswahl der besten Lokalen und Frühstückscafé (wir mögen die zweit- und die drittklassigen Cafés). Und natürlich: an Häuserwänden lehnen und einfach nur gucken, gucken. Gewissermaßen rauchen, ohne zu rauchen (große Wehmut: fürs Zigarettenrauchen sind wir zu alt).

21 Grad.
Wundervoll warme, dabei köstlich frische Lüfte.

Hier in der Hauptstadt Virginias gibt es ein Licht, in dem gleichzeitig immer das gesamte 17., 18., 19. und 20 Jahrhundert abläuft — es ist schwer zu sagen, was genau ich damit meine, in etwas so: Ich sehe hier das gesamte amerikanische Jahrhundert seit der Weltwirtschaftskrise und dem New Deal, die Goldene Ära der USA in den 1940er und 1950er-Jahren, wie in einem nicht besonders guten, aber sehr catchy und gut gemachten Steven-Spielberg-Film mit Tom Hanks, und ich sehe die Engländer hier ankommen, sich das goldene Land nehmen und dem Stamm der Pawnee-Indianer den Gar ausmachen.

Eben den wunderschönen Abschiedsbrief der Kollegen Iris Radisch zum Ende meiner Zeit bei der ZEIT gelesen. Danke. Es ist mir eine Ehre, liebe Iris. Es ist mir eine Freude.

Nun die Frau wecken, die da auf dem hohen, neuenglischen Bett liegt und einen Nachmittagsschlaf hält. Und, wie sagt man, ein büsschen die Gegend unsicher machen, Leute — auf geht’s, raus auf die Straße, wir gucken jetzt, was die Leute in jenem März 2025 auf den Straßen von Richmond, VA 23220 USA, zu allem sagen.

8. März 2025, Samstag

Achtung, MadW geht für zwei Wochen auf USA-Tournee (geplante Stationen: noch geheim), Ihre Tageszeitung meldet sich für diese Zeit ab (bis 24. März). Meldungen nur, wenn es in den USA widererwartend funktionierendes Internet gibt und mein NERVENKOSTÜM stabil genug ist, um im Anblick einer wankenden Welt — die Menschen in den USA wollen ja immer ganz viel quatschten, man kennt das — kleine Texte zu tippen, mal sehen.

😘😘👋 🥷🇺🇸🇺🇸

7. März 2025

Heute morgen um 6.30 Uhr durch die geöffneten Schlafzimmerfenster: menschliche Stimmen im Gespräch, in einer angenehmen Murmel-Lautstärke.

Und ich dachte sofort: Das kann man schon vermissen, hier draußen im Land des Hausrotschwanz, der Feldlerche, des Rotkehlchens, der Amsel und des seit sechs Uhr früh den alten Ahorn bearbeitenden Spechts — dass da andere MENSCHEN sind, dass man, aufwachend, nicht immer erst ganz alleine und für sich selbst die Welt durch ERSTE WORTE erfinden muss. #Deutschlandfunk. Ab halb acht rauschte dann, gut vernehmbar, der Strom der Holzpallets durch den Schlauch des Transporters der Firma Vita Holz/ BayWa und füllte die Speicher im Heizungskeller auf.

Breaking news: Wolodomir Selenski ist zum Frieden bereit. Äh, ja. Soll jetzt jedes von Krieg und Elend geschundene, gequälte, ausgezehrte Wesen auf Erden feierlich erklären, dass es zum Frieden bereit ist? Das wird aber eine lange Liste. Müsste man eventuell nicht mal bei dem anfragen, der diesen Krieg seit drei Jahren betreibt und mit großem Einsatz am laufen hält, ob ER eventuell auch zum Frieden bereit wäre? Er bombt nämlich fröhlich weiter. Ääääääääh. Nein. Ich verstehe es nicht mehr, ich begreife nicht mehr, was da draußen los ist.

Ganz andere Frage: Ist das der surrealste Krieg aller Zeiten? Ich meine: Wurde im Zweiten Weltkrieg auch schon so hoffnungslos drauf los gelogen, die Wahrheit immer genau in die diametral unwahre, in die verkehrte Richtung hin erzählt? „Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen“, auch wieder wahr. Die Täter-Opfer-Umkehr ist keine Begleiterscheinung des Krieges, sie ist der Krieg (Entschuldigung, dass ich hier so hochtrabend noch mal feststelle, was seit Clausewitz, nein, was seit Julius Caesar alle Welt weiß — ich muss es nur alles, alles, alles noch mal selber sagen, #normal).

Sagen wir noch mal etwas ganz Einfaches (trotzdem nicht uninteressant, denn die Wähler der AfD und der Linken sind da ja anderer Meinung, sie nehmen die Putin-Propaganda für bare Münze): Dass Emmanuel Macron nicht Napoleon ist, sondern ein anderer, kleiner französischer Mann, und mit seinem Atomschirm nicht Russland bedroht, sondern es sich andersrum verhält — Russland bedroht Litauen, das Baltikum, die EU —, das sehe ich glasklar, hier kann jeder Dreijährige die Realität von der geisteskranken Lüge unterscheiden (nur eben, ja schade, AfD- und Die-Linke-Wählerinnen nicht).

Ich bin auch deshalb gegen die schöne, neue Schule der Kriegstreiber und Autokraten (J.D. Vance, Bannon, Hegseth, Lawrow, Kim Jong-Un und unseren kleinen, hässlichen Neonazi in Thüringen), weil mir ihre Weltsicht schlicht zu wirr, zu ausgedacht, zu abgehoben, zu ausgeflippt ist — ich bin ja Anti-Freak. So ein kleines bissl Wirklichkeit und Wahrheit habe ich schon sehr gerne.

Von neun bis zum frühen Mittagessen (12.15 Uhr) wieder: im Wald.

Heute wieder Thema im Wald: die eigenen Grenzen kennenlernen (wow, hahaha, ja).

Warum, verdammt, werden die hohen und sehr hohen Polter Sägeholz, die nun überall auf den Forstwegen liegen, nicht abgefahren? Der Waldmann hat das nicht gerne, wenn die jetzt schon ziemlich warme Frühlingssonne auf das liegende Holz scheint: Der Nutzholzbohrer hat nämlich auch Lust auf das Holz am Wegesrand, aber anders als der Buchdrucker (Borkenkäfer) bohrte er sich nicht nur in die Rinde hinein und legt dort seine Eier, sondern tut dasselbe in bis zu vier Zentimeter Tiefe im Stamm. Schon morgen kann es losgehen, in einer Woche, in zwei Wochen, jederzeit in den nächsten Wochen. Nachricht an die Sägewerke also, auch von dieser Stelle: Holz abfahren, bitte. Danke.

Heute Abend: Bierchen bei Christl im Pilgramsreuth (denn: Nur #ChristlsagtdieWahrheit). Gleich im Anschluss: Schafskopfturnier beim FC 1916 Schönwald (ich kann leider nur zugucken, da ich das tolle Schafkopf als Doppelkopfspieler nur sehr peripher verstehe).

Ganz anderer Name, andere Welt: #HaiderAckermann (macht Tom Ford). Den kannte ich noch aus ganz anderen Zeitrechnungen, Neunzigerjahre. Ich tue ihn immer zu den Belgiern (ist das richtig?), ganz früher war er auch in der Nähe des grandiosen Schwarzwald-Punks Bernhard Wilhelm. Freut einen immer, wenn die, die noch aus der Ära MTV stammen, noch mal richtig Kohle abkassieren.

4. Februar 2025, Dienstag

So weit unten, so effektiv leblos am Boden, so definitiv nicht existent ist der Widerstand in den USA gegen die Hass- und Zerstörungswalze der MAGAisten, dass Hollywood ein Uralt-Video von Robert de Niro rausholen musste, in dem er — der letztlich ja immer Allergrößte — die einzig mögliche Rede bei den diesjährigen Academy Awards hielt:

„I‘m gonna say one thing: Fuck Trump.“

Applaus.
Big cheering.

„It‘s not longer down with Trump. It‘s fuck Trump.“

Noch größerer Applaus.
Standing Ovation.
Allgemeine Erlösung: It‘s good to feel a bit alive after death.

Dummerweise stammt das Video, wenn ich das richtig sehe, aber nicht von der vorgestrigen Oscar-Verleihung am 2. März 2025, sondern von den Tony Awards im Juni 2018. Ach, Mann.

Goodbye, Hollywood.
Goodbey, Democrats.
Goodbey, ihr geliebten Vereinigten Staaten von Amerika.

Andere Dinge: So glücklich und erleichtert muss man natürlich darüber sein, dass Deutschland heute gegen 19 Uhr beschlossen hat, die schöne Killersumme von 500 Billionen Schulden aufzunehmen: whatever it takes.

„Ein Signal an Freunde und Feinde“ (Markus Söder).

I love Grundgesetzänderungen.
I love Sondervermögen für Infrastruktur-Ausgaben.
I love Goodbey to Beschränkungen der Schuldenbremse.
I love windige Abstimmung mit der alten, abgewählten Regierung.

Die Grünen/ Katharina Dröge: „Wo bliebt eigentlich der Klimaschutz bei den neuen Sondervermögen?“ Der was? HAHAHA.

Okay, wir packen alle noch mal unsere Taschen aus und stimmen für: Geld.

„Es ist alles tot, sehr ruhig, sehr angespannt, ganz komisch alles.“ (Passant in der Fußgängerzone Mannheim)

Jetzt aber zum angekündigten Brennpunkt mit Markus Preiß („Und jetzt höre ich gerade, dass wir den Bericht noch nicht haben … Guten Abend, Herr Thorsten Frei“).

Und wir schalten hier nun noch mal direkt ins Sendestudio von MadW, live ans Mikrophon von MC Oberfranken/ Pedro von Uslar:

(…)
(…)
(schlechte Übertragung, sorry, sorry …)

(…)

Medwedew: du drogenkrankes, dreckiges, deine eigene Scheiße fressendes Dreckschwein, du „wirklich lächerlicher“ (Nina Chruschtschowa) Idiot. Könnte Europa/ die wunderbare, freie westliche Welt, aus der ich stamme, nur einen Killer aussenden (was es nicht kann, gut so, einverstanden, einverstanden), er tauchte vor DEINER Haustür auf und sagte DIR Hallo, Medwedew, du geisteskranker, dein eigenes Doppelkinn fressender Idiot.

Welche Drogen nimmt eigentlich exakt … grzlmmnf …? (Zensur/ Klarname geändert/ nur bei telefonischer Anfrage erhältlich).

Okay.
Okay.
Sorry.

Durchatmen.
Schlaftabletten (verschreibungspflichtig).

Morgen weiter.

3. März 2025, Montag

Glitzern.
The Glitzern.
Die gelben, vom Winter noch müden Felder und Wiesen.

Der Specht.

Heute, mit der wunderbar beruhigenden, in Krisenzeiten so bitter notwendigen Verspätung und LANGSAMKEIT der gedruckten Tageszeitung (das Hirn kommt sonst einfach nicht mehr hinterher) noch mal über den 28. Februar gelesen:

„Es fühlt sich an wie das Ende der Welt“ (Seite Drei).
USA, Der Zerstörer, von Stefan Kornelius
EUROPA, Freitag, 28., von Hubert Wetzel.

Sadness all around. Der Trump-Virus — Hass, Hässlichkeit, Ruchlosigkeit (Annalena Baerbock) — wirkt bis ins nördliche Oberfranken, ins aller Privateste hinein: Ich fange an, mich mit meinen besten Freunden darüber zu streiten, wie die ersten vierzig Minuten des entsetzlichen Oval-Office-Films zu werten sind, ob da vielleicht irgendwas nicht nur entsetzlich war. Es blickt einfach niemand durch, wie auch.

Leider auch bissl Magen-Darm-Virus, heute (ist ja nicht so schlimm).

Lorenz Salzletts (mit Meersalz, knusprig aus dem Ofen). Seit 1935.

25. Februar 2025, Dienstag

Wer hat eigentlich je irgendwo Vertrauen zurückgewonnen? Ist das –– Vertrauen –– eine Währung, mit der in der Politik sinnvollerweise bezahlt, agiert und kommuniziert wird, am Arbeitsplatz, in der Wissenschaft, bei Bank- und Immobiliengeschäften? 

Mir kommt das widersinnig vor. Ich vertraue meiner Ehefrau (nicht immer, aber grundsätzlich gerne), aber der CDU? (Ach so, noch mal anders, ich habe ja gar keine Ehefrau, sorry). Vertrauen die Görlitzer der AfD, weil sie Tino Chrupalla dort mit 48,9 Prozent gewählt haben? Oder machen sie einfach bei der Partei das Kreuz, die ihnen die radikalste Abwicklung alles Bisherigen, den größten Bruch, das meiste NEU verspricht?

Die ganze Idee des Zurückgewinnens: eher nicht realistisch. Ich habe eigentlich noch nie erlebt, dass etwas zurückgewonnen wird (Vertrauen sowieso nicht, aber auch nicht die kleineren Dinge –– was dann zurückkommt, sind neue Dinge auf neuen Feldern von ganz anderen Leuten, aber sicher nicht das Vertrauen der Ostsachsen, auf das die Strategen der großen Wahlverlierer jetzt so gebannt starren). In Gelsenkirchen, in Kaiserlautern, im Erzgebirge und in den Jugendstil-Villen in Dresdner Weißen Hirschen hat man Bock, diese noch immer neue, kaputte, dreist das Blaue vom Himmel heruntererzählende und komplett asoziale Partei zu wählen. Das Markenzeichen dieser Partei ist, dass sie in Ländern und Bund noch nicht in Regierungsverantwortung war. Die Leute wählen die AfD, weil sie, kurz gesagt, nicht CDU, SPD, Die Grünen und Die Linke heißt. Ein Angebot der etablierten Partei werden sie, ganz gleich, wie dieses Angebot ausfällt, nicht annehmen, schon deshalb, weil ja auch die AfD kein Angebot macht — nur waghalsige, unrealistische Versprechen, sinnlose Zerstörung, Rückführung in den Nationalstaat der 1990er-Jahre (konkret: wirtschaftlicher Selbstmord bei gleichzeitiger Auslieferung an die Energiepolitik Wladimir Putins und in die militärische Einflusszone Russlands und Chinas). Mit diesem Angebot aber können die etablierten Parteien nicht konkurrieren, ohne ihren Markenkern des Nicht-Komplett-Geisteskrank-und-Verantwortungslos-Sein aufzugeben.

Eine Urfrage bei der Bekämpfung der AfD in den nächsten vier Regierungsjahren, noch einmal anders gestellt, lautet also:

Welches ANGEBOT können wir den jungen und hübschen Nazis von Görlitz machen? Und noch mal ganz anders bzw. in dieselbe Richtung: Welches sinnvolle politische Angebot lässt sich einer Wählerschaft machen, die gegen sinnvolle politische Angebote immun ist — mehr noch: die Spaß daran hat, die konstruktiven und sinnvollen politischen Angeboten der etablierten Parteien abzulehnen und in den Wind zu schießen, weil sie in ihnen den Markenkern eines Systems erkennt (Mehrparteien-Demokratie, Meinungsfreiheit, Pluralismus), mit dem sie seit Fall des Eisernen Vorhangs nie wirklich warm geworden ist und das sie, spätestens dann bei Einzug der AfD in den Bundestag vor dreieinhalb Jahren, offen verachtet, bekämpft, überwinden und durch ein autokratischen Regierungssystem ersetzen möchte?

Noch kürzer gesagt: Welches konstruktive und realistische politische Angebot kann es aufnehmen mit der herrlich destruktiven, in ihrer DNA natürlich auch antidepressiven, auf paradoxe Art für Hoffnung und Aufbruchsstimmung sorgenden, für junge Menschen logischerweise auch deshalb attraktiven Fuck-Up-Party der AfD?

Ich habe keine Ahnung.
Ich habe — keine Ahnung.

Just think about it, Merz, Klingbeil, Brantner. Aber das tut ihr ja sicher eh.

24. Februar 2025, Montag

„Da ist er also, der berühmte 24. Februar, der Tag danach“ (Rainald Goetz auf Insta). Und tatsächlich: Man möchte heute so viel Zeitung lesen und Kram checken wie kein Mensch an einem Tag checken und lesen kann.

Fragen, Fragen, Fragen.

Warum bleibt eigentlich die beschallerte schwäbische Hausfrau (Saskia Esken)? Auf die hat doch wirklich niemand mehr Lust, nicht mal die gestrigsten SPD-Spießer.

Der Gesichtsoperierte (Kubicki) erklärt erst seinen Rücktritt, erwartungsgemäß, wie es sich gehört, und möchte dann doch lieber gleich Bundesvorsitzender der FDP werden? What? Ich bin dafür, dass nur die Parteisoldaten eine Partei führen dürfen, die noch nicht öfter als drei Mal pro Nacht zum Pinkeln rausmüssen, sorry, sorry.

Erfreulich: Dass der Hamburger-Schule-Gitarrist Lars Klingbeil nun doch noch ein bisschen bleibt, ich halte viel von ihm, so stelle ich mir eigentlich einen modernen Politiker vor (ernst, maßvoll, mit Kompass im Kopf, in dem die sozial Schwachen nicht ausgegrenzt, verhöhnt und vergessen werden)

Natürlich irre geil: dass Wilhelm Pistorius (heißt er so?) Verteidigungsminister bleibt, THE MAN, THE BODY, unser „Bring mir mal ne Flasche Bier“, der Gerd Schröder nach Gerd Schröder, alle lieben ihn, ich auch, er wird dann in vier Jahren Kanzler, wissen alle, er soll den Scheiß-Russen Angst einjagen und uns, die Deutschen, endlich kriegstüchtig machen, alles unter 3,5 Prozent ist Mist (klingt alles so ironisch, merke ich gerade, meine das aber alles sehr ernst).

82,5 Prozent Wahlbeteiligung: natürlich toll.

Erfreulich ist natürlich auch die neue Linken-Rakete (Name gerade vergessen), bissl kreischig, bissl Four-Non-Blondes-mäßig, aber heyyy (sicherlich hat sich Gegor Gysi, der alte Womanizer/ die Flirt-Rakete der Linken, schon längst wieder in sie verliebt). Es macht einfach Freude, neue Gesichter zu sehen, die offenkundig goldrichtig sind in der Politik (Stimme, Sprache, attitude, Wumms, good looking Tätowierungen), auch wenn man mit den Inhalten bei dieser Person natürlich eher nicht glücklich sein kann. Welcome again im Deutschen Bundestag, Frau Heidi Reichinnek!

MadW sagt, dass es insgesamt keine ganz misslungene, keine katastrophale Wahl war, eventuell ist das sogar ein ganz gutes Ergebnis.

Es war heute Nacht gegen vier Uhr, als mit dem vorläufig amtlichen Wahlergebnis das Aufautmen kam:

Die nationalsozialistische Kleine-Leute-Partei BSW unter fünf Prozent und endgültig nicht drinnen und damit gesichert, dass der Nicht-Nazi-Block weiter eine Zwei-Drittel-Mehrheit hat und, zweitens, noch wichtiger, eine Zwei-Fraktionen-Koalition (Union, SPD) und eine halbwegs stabile und arbeitsfähige Regierung entsteht, die — trotz Dauerhetze der Weidel-AfD und einer irre durcheinander purzelnden Welt (EU und NATO in Auflösung) — über vier Jahre trägt.

Ich freute mich auch, dass die AfD nicht bei 25 Prozent durchs Ziel ging, ich hatte das für wahrscheinlich, ich hatte das für möglich gehalten, sondern ihren Wähleranteil nur verdoppeln konnte, auf jetzt rund zehn Millionen Stimmen (muss man hier gleich dazu sagen, dass die DDR praktisch geschlossen rechtsradikal gewählt hat? Ja, das muss man auch sagen, das ist nicht gut).

Die Nachrufe auf die FDP sind, so weit ich das lese, allesamt mitleids- und gnadenlos und vollkommen verheerend, weil es über diese Partei eben nur noch Mitleidloses, Gnadenloses, Verheerendes zu sagen gibt („Mit der FDP verlässt der Kleingeist, der stets verneinte, den Bundestag“, Süddeutsche). Meine Prognose: Als Nächstes lässt sich Christian Lindner von seiner bösen, kalten Model-Frau scheiden, und dann verdient er Geld, Geld, Geld (ain‘t no right life in wrong life, sorry).

Gerade eine — für unsere Verhältnisse — recht konfrontative Diskussion per SMS mit einem treuen und langjährigen Freund gehabt, er hält Politiker mehr oder weniger allesamt für lächerliche Schwachköpfe oder gleich, vielleicht weil asoziales Draufhauen ja immer noch einen Grundkern des Respekts beinhaltet (Paradoxie), für Wichser. Und er beruft sich dabei auf die GRUNDFREIHEIT DES KÜNSTLERTUMS. Ich finde das erfrischend und grundrichtig. Und eben auch grundfalsch — ich will mit dem dauernden Verachtungs-Theater für Politikerinnen und Politiker nichts zu tun haben (aber ich leide ja mittlerweile eher an der gegenteiligen Krankheit, einer Art Philosemitismus für Gewählte. Bei ihnen, den Heldinnen und Helden des Volkes, den Berufspolitikern, bin ich grundsätzlich bereit, eine Grundsympathie und einen hohen Kredit an Achtung für diesen Höllenjob einzuräumen).

Gegen acht Uhr abends gestern schickte Paul Seehausen aus 16792 Zehdenick eine SMS: Der Bürgermeisterkandidat der AfD steht in der Stichwahl gegen den Nicht-Nazi-Kandidaten. Mit 41,2 Prozent ist Zehdenick derzeit die AFD-Hochburg Nummer zwei in Brandenburg (nach Liebenwalde mit 41,7 Prozent).

Glück auf, Friedrich Merz.

Melancholie (Goetz).

23. Februar 2025, Sonntag

Zur Mitte unserer Skifahr-Woche mit noch sehr kleinen Kindern — der Tag hatte wie jeden Morgen gegen 6 Uhr begonnen — lag ich zu einer absurd frühen Mittagszeit, gegen elf, im Außenbereich der Schwimm-Wellness-Erlebnis-Welt MONTE MARE in Schliersee im auf gut 30 Grad hochgeheizten Chlorwasser, den Kopf in der herrlich kalten und frischen Luft. Und versuchte, ein bissl klar zu kommen, zur Abwechslung mal. Und das Denken noch mal auf null zu stellen. Fragen:

Nachdem die USA sich innerhalb weniger Wochen in eine Diktatur verwandelt hatten, „live und vor unser aller Augen“, wie das auf Instagram genannt wurde, und die beiden Großmächte USA und Russland innerhalb von Tagen zu einem großen faschistischen, Demokratie, Freiheit und Menschenwürde killenden Block zusammengegangen waren (ja, sorry, merke gerade: Frage nicht formulierbar bzw. Frage vergessen, alles zu groß, zu wirr, zu unglaublich, zu unreal).

Gab es den Executive Order, in dem der amerikanische Präsident allein darüber bestimmt, „was das Gesetz ist“, wirklich — oder war das alles eine einzige große, irre, sinnlose Untergangsfantasie?

Hatte der wilde, hässliche, im Gesicht lila-silberig schimmernde Barbour-Jacken-Träger Steve Bannon bei der CPAC-Konferenz in Washington, dem Treffen der Rechtspopulisten aus aller Welt, vor seiner tosenden Zuhörerschaft tatsächlich auch den Hitler-Gruß ausgegeben?

Nachdem Putin zeitnah das Baltikum geschluckt haben würde, was laut seriösen politischen Kommentatoren (Süddeutsche) eine realistische Option darstellte, nein, den nur folgerichtigen nächsten Schritt im russischen Angriffskrieg (Trump doesn‘t give a shit, Europa hat keine einsatzfähige Armee): Wo gab es es für uns arme Westeuropäer noch einen sicherer Ort, an dem ein an die europäische Nachkriegszeit erinnerndes Leben — Wohlstand, Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung — fortgeführt werden konnte? Musste man da wirklich bis Portugal oder noch besser bis nach Patagonien gehen?

Weiß der ältere, ja nicht ganz unsympathische Herr, der Deutschland als nächstes regieren muss — Friedrich Merz, 69 Jahre alt, im sauerländischen Brilon geboren, seit vier Jahren zurück im Bundestag und in der Politik —, dass er nicht nur in Deutschland in Rekordzeit einiges sehr effektiv und erfolgreich zurechtwurschteln muss, sondern dass er Europa retten muss, gegen alle Wahrscheinlichkeit, gegen den Zeitgeist, gegen die faktischen Mahlströme der Disruption und Zerstörung in Ungarn, Slovenien, Österreich, Italien, in den Niederlanden und im eigenen Land, weil sonst schlicht niemand mehr übrig ist, der das tut?

Und hier die Prognose zur Bundestagswahl aus dem fränkischen Wald, Sonntag, 23. Februar 2025, 9.45 Uhr (könnte gut sein, dass das insgesamt mehr oder weniger als 100 Prozent ergibt, wir hier im Wald können leider nur schlecht bis Hundert zählen, sorry, sorry):

Union: 28 Prozent
AfD: 24
SPD: 15
Grüne: 15
Idiotische Linke: 6,5
Rest raus und egal.

14. Februar 2025, Februar

Vor einer Bradwöschtla-Bude in Rehau, in Selb, in Schwarzbach/ Saale (tut nichts zur Sache, in welcher Stadt das genau war), rief ein im Prinzip ganz normal, sympathisch, recht frisch und auch ganz gut gelaunt wirkender Mann (geschätzte 35 Jahre, mit Kappe und Fleece-Jacke) seiner ihm die Bratwürste aus seiner Hand nehmenden Kundschaft zu:

„Und immer dran denken: Nächste Woche Sonntag die Grünen wählen.“

Und die ihm am Grill assistierende Frau, Mitte fünfzig, auch so weit ganz normal aussehend — gehobenes Fielmann-Diska-Sparkasse-Deutschland im Februar 2025 — rief in einem nicht in die hiesige Region passenden Brandenburger Dialekt: „Damit totbringende Massenvergewaltigung in Deutschland weiter eine Chance hat.“

Und dann weiter, die Würschtel vom Rost mit der Grillzange in die geöffnete Semmel des Kollegen legend:

„Klima … Wir wählen jetzt alle fürs: Kliiiiiiiima …“

Oh Gott.

Oh Gott.

Nachmittags, zur Amazon-Lieferzeit gegen 16 Uhr, brachte der Amazon-Fahrer: Christoph Peters Innerstädtischer Tod (Roman, Luchterhand, 2. Auflage, 2024), den neuen Schlüsselroman über den Galeristen Johann König und seine Frau Lena. Mal sehen, ob das ein gutes Buch ist oder, wie Süddeutsche und Deutschlandfunk insinuieren: verboten gehört.

13. Februar 2025, Donnerstag

Und weiter:
Exzess.
Zäsur.
ZESSUR.
Weltenbrand (Richard Wagner).
Täglich neue historische Daten.

Der gestrige Mittwoch, 12. Februar 2025: der Tag, an dem Trump und Putin ihr Geschäft machten.

Bye Bye Wolodomir Selenski
Bye Bye Ukraine.
Bye Bye, Frauen und Kinder.
Bye Bye, du tapferes ukrainisches Volk.
Bye Bye EU-Kommissionspräsidentin.
Bye Bye Democrats.
Bye Bye NATO.
Bye Bye Artikel 5.
Bye Bye 75 Jahre europäische Nachkriegsordnung.
Bye Bye Münchner Sicherheitskonferenz.
Bye Bye Frieden.
Bye Bye EU.
Bye Bye Israel.
Bye Bye palästinensisches Volk.

Bye Bye Scholzi.
Bye Bye Lindi.
Bye Bye verhetzte Sahra Wagenknecht.

Bye Bye, mein geliebtes friedliches Europa.
Bye Bye, Deutschland einig Vaterland.
Bye Bye, Frieden, Freiheit, Schönheit, Leichtigkeit, Zivilisation, Fun, CSD, Pop, House Music, Hollywood, Elton John, Hape Kerkeling, Spätis, rote Marlboro, Levis, Berghain, Volksbühne, Grill Royal, Fest & Flauschig, NY Times, everything that made life worth living.

Die westliche Welt, wie wir sie kennen und doch eigentlich sehr, sehr lieb gehabt haben, begeht Selbstmord. Und wir hier im Wald sagen dazu: Nein, das verstehen wir nicht. Das haben wir nicht kommen sehen. Wir sind überfordert, wir finden das nicht gut.

An welchem Ort wollen Sie leben, jetzt, wo es zu Ende geht?
Mit welchem Liebsten wollen Sie noch mal sprechen?
Darf ich Ihnen eine Zigarette anbieten?
Welche Mahlzeit würden Sie gerne als letzte einnehmen? Haben Sie sich das schon einmal überlegt?

(komische Geräusche; Versuch, Luft zu bekommen)

Ab jetzt taumeln wir.
Ab jetzt regiert Putins Pimmel.

Und am Münchner Stiglmaierplatz lenkt ein 24jähriger Afghane einen Kleinwagen in einen Demonstrationszug hinein.

Wie immer Donnerstag, gegen halb fünf nachmittags: Zirka 40 Fleischplanzerl gehen, in etwa vier Runden, in die Pfanne (die schon gebratenen natürlich unten im Ofen, ihr lieben Leude). Dazu: den guten Düsseldorfer ABB-Senf, ein Geschenk von Freund Martin Purwin. Wir braten, natürlich, auch Fleischpflanzerl für den Frieden. 

Hältst Du den Kopf hoch, meine exzeptionell schöne und besondere Frau? 

 

10. Februar 2025, Montag

Ich dachte gestern Abend noch mal — das Ding guckend, das alle guckten —, dass mir das Ernie-Schlumpf-Mainzelmännchen-Hafte des Olaf schon sehr auf die Nerven geht, deshalb war der Schlumpf-Vergleich des bayerischen Ministerpräsidenten („Sie brauchen gar nicht so schlumpfig grinsen“), damals, 2021, aus dem echte Empörung/ echtes Angekotztsein sprach, ja auch so gut. Die Von-oben-herab-Haftigkeit und Arroganz, die aus Scholzs Sprache sprechen und die Wähler zu Kindern degradiert — ich muss meinen Kleinen alles ganz einfach und in möglichst plastischen Worten sagen, sonst versteht es wieder niemand — ist nicht gut. Leider hatte Markus Söder auch recht, als er im Anschluss bei Caren Miosga monierte, dass das ständige Ich des Olaf Scholz, das ihm seine Rhetorik-Coachs eingeimpft haben („Ich habe entschieden … Ich habe auf den Weg gebracht …“) seltsam cäsarenhaft und zusätzlich abgehoben wirkte, eben wirklich wie ein Kanzler, der auf Platz drei der Wählergust immer noch glaubt, dass er Kanzler bleiben kann.

Das Blöde am CDU-Kandidaten, das weiß ja auch jeder, ist seine Hermès-Krawattenhaftigkeit, das stark Volksbank-Raffaisen-Bank-Hafte, das Alte-Bundesrepublikanische. Er wirkt, als wäre er 1988 oder 1995 ein guter Kanzler gewesen. Heute besser: In irgendwelche verstaubten Fünfziger-Jahre-Clubs Mitglied sein, der Atlantik-Brücke oder im Tennisclub in 59872 Meschede, Seniorenschwimmen, Oldtimer fahren, so etwas, und mit anderen Hobbyfliegern schöne Rotweine trinken und große Welt-Durchblicker-Reden schwingen. Ansonsten: Ich habe kein ernstes Problem mit dem Typen. Das wird alles nicht so schlimm. Und es ist doch total klar, dass er mit den hässlichen Zerstörern von der AfD keine Koalition eingehen wird, jeder weiß das, kein Mensch hält das ernsthaft für möglich.

Hat man in Redaktionen von Maischberger und Illner einmal ernsthaft erwogen, ob man ausspricht, was ganz offenkundig ist und jeder Bürgergeld-Empfänger und auch sonst jeder in Deutschland weiß — nämlich, dass das ein ungleiches Duell ist, weil da einer antritt, der auf keinen Fall Kanzler wird, gegen einen, der es auf jeden Fall wird? Ich hätte dazu geraten. Es spricht sich doof miteinander, wenn die Grundvoraussetzung des Gespräch komplett gekünstelt und behauptet ist.

Das depperte Duell. 40 Prozent oder, Achtung, 23,68 Millionen Wahlberechtigte wissen ja angeblich und ziemlich sensationellerweise immer noch nicht, wen sie am 23. Februar wählen sollen (was sind das für Leute, wo leben sie, womit verdienen sie ihr Geld?). Damit die einen Eindruck davon bekommen, ob sie am Wahltag besser für das BSW oder die AfD stimmen sollen (haha, sorry), hätte einer der beiden sich duellierenden Herren einen tödlichen Stoß, einen Knock-Out setzen, also einen wirklich brillanten Moment oder einen kompletten Aussetzer (NS-Tourette etc. etc.) haben müssen.

Und auch hier sage ich, der kluge politische Kommentator der MadW: Lass sie halt ein bisschen zivilisiert sein. Es spricht für die Ernsthaftigkeit der politischen Auseinandersetzung und — sorry, sorry — auch für ein gewisses Niveau, dass es kaum krasse Pointen gab. (Letzte Frage, ich frage das wirklich nicht für mich, sondern stellvertretend für 23,68 Millionen: Soll ich jetzt linke oder rechte Nazis wählen? Bussi 😘)

Jetzt, Achtung — Gruß an meinen Rentnerfreund Friedrich Merz — Brustschwimmen im Hallenbad in 95100 Selb.

Leichte Schmerzen im … nein, Quatsch. Merkt ihr denn nicht, dass ich beides gut finde, echte Gedanken, der „Lass uns wirklich mal überlegen, was los ist“ shit und die allerbesten, die müdesten Gags? 😘😘

#Riesenthema Älterwerden

7. Februar 2025

Im Restaurant Stadtbad der schönen hochfränkischen Stadt Weißenstadt (wird demnächst in Bad Weißenstadt umbenannt, hier noch mal Glückwunsch) lief seit gut einer Stunde ein Wahlkampfabend der SPD mit dem nicht nur doofen Titel „Jetzt redet ihr, wir hören zu“, unter Teilnahme von

Holger Grießhammer, Handwerker, Vater von fünf Kindern, dem neuen Star der Bayern-SPD
Jörg Nürnberger, MdB, Direktkandidat für den Wahlkreis Hof/ Wunsiedel
Saskia Esken, die Schwäbin (wisst‘ schon)
Carsten Träger, auch MdB, Spitzenkandidat in Bayern (er hat — no joke — eine Wette auf Instagram laufen, dass er jeden Prozentpunkt, den die SPD bei der Bundestagswahl gewinnt, als Kilogramm von seinem wirklich stattlichen Gewicht abnehmen wird) —

Diese vier Leute reichten sich also das Handmikrophon weiter und antworteten auf die teils rührenden, teils aufwühlenden, jedenfalls nie langweiligen Fragen der SPD-Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker und ehrenamtlich arbeitenden Menschen im Saal (Wird jetzt echt Friedrich Merz Bundeskanzler, und wenn ja, was soll das? Wer ist schlimmer, Putin oder Trump? Ist das gerecht, dass gesetzlich Versicherte ein halbes Jahr länger auf einen Arzttermin warten als privat Versicherte? Warum wählen so viel junge Menschen AfD? Was kann man dagegen tun, dass SPD-Wahlplakate mit den NS-Schmähbegriffen „Volksverräter“, „Kindermörder“ beschmiert werden, nur weil der Kandidat einen offenkundig fremdländischen Familienhintergrund hat?), als mich auf den Toiletten des Veranstaltungsortes ein Beisitzer des SPD-Kreisverbands im Fichtelgebirge mit den Worten ansprach: „Du bist aber von der Sicherheit von Saskia, oder?“.

Und ich entgegnete, in Stimmung, mit dem ebenfalls sehr sympathischen Parteibruder auf den Klos des Stadtgartens einen Plausch zu halten: „Nein. Ich bin wie du Mitglied der alten, ehrenwerten Partei, die, zwei Wochen und zwei Tage vor der Bundestagswahl, sich noch mal an der natürlich heldenhaften Geschichte aufwärmt, dass sie am 23. März 1933 als einzige im Reichstag vertretende Partei gegen Hitlers Ermächtigungsgesetzt gestimmt hat.“ Er nickte, irritiert über meine freakige Entgegnung, aber nicht irritiert und interessiert genug, um weiter etwas zu fragen, guckte schon wieder auf sein Handy und tippte etwas.

„Social Media“.
Alles klar, Bruder SPD.

Die Elefanten im Raum des Parteiabends, natürlich, es waren mindestens zwei:

Auch 60 Prozent der SPD-Anhänger wollen ja eine verschärfte Migrationspolitik, das passte hier bloß nicht hin und auch ganz schlecht zum herrlichen Anti-Merz-Furor, wir redeten deshalb besser über andere Dinge.
Natürlich kämpft die SPD schon lange nicht mehr um den Kanzler, auch nicht Platz zwei (da steht mit 5 Prozent Abstand seit Monaten felsenfest die AfD), sondern allenfalls um den dritten Platz gegen die Grünen. Insgeheim rechnen alle bei der SPD, die braven, sehr braven, die hellen und die nicht ganz so hellen, mit dem vierten Platz. Auch darüber wird an diesem Abend besser auch nicht geredet.

Call me Mr. Mittagsschlaf.

Der Vormittag im Wald war wieder ganz nach meinem Geschmack gewesen. Ich hatte bei Dr. Jacklestone mit auf dem Harvester gesessen, während er Langholz schnitt, bei milden zwei Grad. André Randolph fällte zu.

Harvester-Fahren, das weiß auch jeder, geht nur, wenn Kylie Minogue im Radio läuft (Can‘t Get You Out Of My Head).

Verabredung: Jacklestone würde, wohl im März, testweise und nur für eine Woche, einen John Deere Harvester ausgeliehen bekommen, das allerneueste Modell, die lang erwartete H-Serie.

„Den will ich mir natürlich mit angucken, Jack.“
„Ich gebe ein paar Tage vorher Bescheid.“   

5. Februar 2025, Mittwoch

15 Uhr. Noch nicht geduscht heute, Leude, immer wieder ein Hit.

Okay, folks, let’s create a Riviera of the Middle East. Trump, du Armleuchter, du geisteskranker, maximal gestörter Motherfucker (das Trump-Beschimpfen wird für mich nicht langweilig, Entschuldigung, ganz im Gegenteil, es tut mir gut — hören Sie bitte weg, verehrte Leserinnen, wenn ich hier wieder wie ein Chinese auf die orangefarbene Gummipuppe draufhaue). The shock move from Trump drew rebukes from international powers including Russia, China and Germany, which said it would bring „new suffering and new hatred“. Regional heavyweight Saudi Arabia rejected the proposal outright. #Reuters

Besprechung der Jäger-Runde am kommenden Freitagabend. Es gibt Schäufele mit Klößen und Kraut. Abschussquote: 87. Immerhin, wir stehen bei 77.

Kalt gestellt: ein Kasten Jever Fun (Jäger trinken ja kaum noch).

Das Quatuor Modigliani spielt Schubert-Streichquartette.
Dies noch, das noch. Und, ach so: noch jenes.

#Frühe Biere (Deutschboden 1).

Ich langweile mich, wie immer, null (und wenn ich mich doch mal langweile, kann ich ja immer noch das Bad putzen, denn putzen liebte er schon immer sehr).

Gegen 17 Uhr dann fällt Regen auf gefrorenen Boden.

3. Februar 2025, Montag

3 Grad minus.
Die Wege durchgefroren.
The Sonne: macht das Glitzern.

Harvester John Deere 1270 G.
Rückezug John Deere 1210 E.

Und einzig DER WALD im Winter gibt Klarheit im Kopf.

2. Februar 2025, Sonntag

„Aufstand der Anständigen“ — kotz. Viel scheußlicher, selbstgerechter, abgehobener, bequemer, unbeweglicher, fettgefressener, arroganter geht es leider AUCH nicht. Verstehe jeden nur halbguten Menschen, der über so viel demonstrative und selbstzufriedene Gutheit — wie kann man sich bitte selber einen Anständigen nennen? — seine ganze Renitenz und Hässlichkeit ins sich entdeckt und einen Niedrigkeits- und Hass-Tourette-Anfall kriegt. Die Wirksamkeit des Widerstands gegen die rechten Geister und den rechten Geist unserer Zeit wird sich AUCH daran messen lassen müssen, dass wir bei politischen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen bitte nicht nur selbstgerecht sind und wie weinerliche und larmoyante Okö-Heulsusen aus den 1970er-Jahren klingen, sorry, sorry.

Nachricht an die unsrigen: Lasst uns aufhören, ständig zu behaupten und zu wiederholen, dass wir die Besseren sind — niemand interessiert das, niemand kann das mehr hören. Wir haben nur einfach eine ganz andere Vorstellung davon, was ein guter Abend ist — und was ein reiches, ein freies, ein lustiges, ein erfülltes und ein lebenswertes Leben. Das reicht! Schluss mit der Moralkacke. Es stinkt.

Dunkle Zeiten.

Nur der FlixBus fährt auch heute wieder wie eine Eins (Zürich Oberfranken 7 Stunden 50 Minuten). Man wird mir eines Tages die leuchtgrüne FlixBus-Ehrennadel verleihen.

Worauf hoffen Sie, Anne Will? (Deutschlandfunk). „Darauf, dass wir die Liebe wiederfinden und die Kurve kriegen“. Einverstanden. 😘😘

Und, ganz was anderes: Es wird Zeit für die Urlaubsplanung Sommer 2025.

Acht echt? Echt? Das ist ja wunderbar. Let‘s go!

Wie folgt: (…)

(…)

(…)

Supergut. Aber warum nur eine Woche? Warum nicht gleich zwei, drei, vier Wochen?

Ich habe so Panik vor Langweile!

Nein. NEIN. Das musst du nicht haben. Langeweile ist DAS DING (sehne mich immer danach). Da fängt man an, sich etwas vorzulesen, Insekten zu betrachten, neue Komponisten zu entdecken, sich kleine, leicht heilende Verletzungen zuzuziehen, sich die Haare in einer neuen Farbe zu färben, große Pläne zu schmieden etc. etc. Wunderbar. 😘😘😘🍺.

Okay.

Okay!

1. Februar 2025, Samstag

#Zustromverhinderungsgesetz

Es fühlt sich, leider, alles so historisch an. Gerade noch mal nachgelesen, ob Franz von Papen (1879 bis 1969) nur doof oder doch tragisch doof war, also eigentlich guten Willens. Auch über den Kanzlerkandidaten der Union und Inhaber der einmotorigen Propellermaschine Diamond DA62, Friedrich Merz, wird man dereinst wohl lesen können, dass er halt das Risiko mochte; und beim Durchfliegen einiger Turbulenzen an jenem historischen 31. Januar 2025 für einige Sekunden aus Versehen den Steuerknüppel nicht fest in den Händen hielt.

Michel Friedman, seit 1983 Mitglied der CDU, ausgetreten: am 30. Januar 2025. „Der Tabubruch ist unentschuldbar.“

Wir kehrten gestern am frühen Abend zurück von einem Zwei-Tage-Ausflug von Zürich nach Berlin — der Ausflug war auf einen Schlag sinnlos geworden, als am Nachmittag des Mittwochs die Nachricht aufs Handy gekommen war, dass die Vorstellung des herrlichen 80-Minuten-Stücks Ja, nichts ist ok von René Pollesch krankheitsbedingt LEIDER AUSFALLEN müsse (Fabian Hinrichs war nicht bühnenfähig). Wir stellten also das Programm um und soffen praktisch 48 Stunden durch, Chateau-Bar, Freundschaft, Borchardt, Tor-Bar, Milano Bar, Diener Tattersall, Paris Bar, Eleven Eleven Club auf der Potsdamer Straße.

Heute, am Samstag, nach wirkliche panischem Verfolgen der Nachrichtenlage, die Erkenntnis: Das geht leider nicht, dass man sich 2025 ein René-Pollesch-Stück in der Volksbühne anguckt, als hätten wir 2003, als wäre weiter nichts und im Prinzip noch alles in Ordnung — während, erstens, Pollesch nicht mehr am Leben ist und, zweitens, die sogenannten demokratischen Parteien in einer Art „Nervenzusammenbruch der Demokratie“ (Olaf Scholz im ZeitPodcast Alles gesagt?) der zweitgrößte Fraktion im Bundestag, der AfD, in einer Woche gleich zwei große Siege bescheren und ihr perspektivisch den Weg an die Regierung bereiten. ES GEHT NICHT. Und: Es geht offenbar doch erstaunlich gut, mit Fritz von Papen Merz als Kanzlerkandidaten und einem Bundeskanzler, der seinen Fraktionsvorsitzenden pathetische, von sich selbst ergriffene Otto-Wels-Reden schwingen lässt („Sündenfall“, „Tor zur Hölle“). Seit gestern wittert Scholz offenbar wieder die Chance, seine SPD doch noch über 12 Prozent zu bringen.

Natürlich ist Merz kein von Papen, sorry, sorry, und es ist auch fahrlässig und falsch und langweilig dazu (siehe Florian Illies auf Zeit Online), in diesen nicht nur eventuell, sondern sehr konkret gefährlichen Zeiten immer wieder mit 1933-Vergleichen zu kommen. Wir brauchen diesen zutiefst mittelmäßigen, natürlich auch zu alten Unions-Kandidaten noch als Kanzler, das wissen sie in Berlin, das wissen sie auch in der SPD. Und natürlich — lasst uns das so aussprechen, damit sich diese Gefahr vielleicht durch Zauberhand selbst bannt — wird sich Friedrich Merz nicht mit den Stimmen der AfD zum Kanzler wählen lassen, das kann nicht sein, weil es nicht sein darf und weil dem Kandidaten das Talent zur wahrhaft historischen Tragödie dann bitte doch fehlt (selbst Rolf Otto Wels Mützenich glaubt das nicht).

Aber unsere Demokraten sollten jetzt — vielleicht kann man es so sagen — damit aufhören, bis zum 23. Februar weiteren unverzeihlichen Unfug zu veranstalten. Bitte: nicht versuchen, die AfD kleinzukriegen, das geht schief. Bitte: nicht versuchen, dem Volk aufs Maul zu schauen (Martin Luther) und es der angeblichen Mehrheit der Bevölkerung recht machen zu wollen — das kann noch bis nach der Wahl warten. Einfach: stillhalten, bitte, und versuchen, den Nationalsozialisten im Bundestag keine weiteren Sternstunden zu bereiten, das wäre schon gut — einfach nichts tun, das AfD-Abgeordnete im Bundestag dazu bringt, erst eine ganze aufgeheizte Debatte lang demonstrativ gelangweilt und superzynisch in die Handys zu gucken und dann laut zu lachen, zu feixen, zu applaudieren und sich schulterklopfend in den Armen zu liegen. Danke.

Und im Deutschlandfunk läuft, ein stiller Samstag im Februar, das Vorspiel der Traviata.

27. Januar 2024, Montag

Am Wochenende Don Paulchen Seehausen aus Zehdenick, den älteren der Seehausen-Brüder aus den Deutschboden-Büchern, zu Besuch in Zürich gehabt. Da war schon am Telefon viel Freude aufgekommen und hatte sich eine schöne Spannung aufgebaut — the man from Oberhavel hier in unser kleinen, aufgeräumten Stadt? Da geht was.

Und dann war es natürlich ein im besten Sinne ruhiges, erwachsenes, zivilisiertes Wochenende gewesen, mit Gesprächen (von der naheliegenden Frage, wie strategisch kluges Wählen am 23. Februar geht, will man eine schwarz-grüne Regierung? Was will man jetzt eigentlich?, bis zum Schwärmen über GTA-Spiele, Paul erinnerte noch mal daran, dass das die größte Kultur-Äußerung überhaupt ist, nie zuvor und danach war ein in der populären Kultur lanciertes Produkt so groß, so erfolgreich (man liest das ja auch immer wieder in Lars-Weisbrodt-Texten im Feuilleton), da kann ganz Hollywood einpacken, und wir sprachen dann auch noch über uralte Filme, den Shoot Out in Michael Manns Heat und die unschlagbaren Dialoge in Scorceses Irish Man: „It is what it is. It is … what it is.“).

Paul, der 1,90-Meter-Mann mit den Augenringen, seit nun auch schon drei, vier Jahren Vegetarier, nach 16 Uhr isst er mittlerweile gerne gar nichts mehr, das Kurze-Trinken lässt er ganz bleiben („Das Pfeffi-Trinken, das war ja nun wirklich einfach immer nur ekelhaft, das habe ich nie verstanden“). Seit 2009 gehen wir einen Weg zusammen. Wir sind einfach älter geworden, Mann.

Paulchen wohnte auf unserer Reeperbahn, der Langstraße, im 25 Hours Hotel, erster Abend am Bartisch im Schnupf, am Samstagvormittag dann, wie Zürcher das gerne machen, zum Eisbaden in den Zürichsee (der gesuchte Kälte-Schock blieb leider aus, die Luft war zu warm), und natürlich schauten wir noch kurz in die Kronenhallen Bar rein (clash of cultures). Sehr schön immer auch, wie Paulchen die Zürcher Autonummernschild ZH der vorbeibrodelnden Maseratis, Lamborghinis und Bugattis anguckte und sagte: „Kiek an, ZH, Zehdenick an der Havel …“. Dem Besuch, ihm war es auf immer richtige, extrem lockere Art auch ein bisschen egal, was das hier eigentlich für ein Stadt war („Echt alte Häuser habt ihr hier in eurer Altstadt, wa?“), Zürich, ja, da gibt es Interessanteres, letztlich macht man, ganz gleich, ob man ihn Chemnitz, Prag oder Zürich Wochenendurlaub macht, doch immer dieselben Dinge, Zigarettenpausen, Pommes mit gelber Soße. Noch mal anders Freude hatte ich, als ich dem Mann aus Brandenburg Europas teuerste Einkaufsstraße, die Bahnhofstraße, vorführte, mit ihren Shopping Ladys aus dem Aargau und den Balenciaga tragenden Warlords aus Aserbaidschan. Ich verstand noch mal: Es ist ihm wirklich vollkommen gleichgültig, Luxus ist ihm egal, Brands, die großen Marken sagen ihm nichts, er hat da keine Kriterien.

Und es geht natürlich noch tiefer: Diesen Punks aus Oberhavel, die im letzten Jahrzehnt der DDR schon knapp denkende Menschen waren (1982 geboren), also noch tief aus diesem ganz anderen Deutschland kommen, ihnen ist Geld einfach vollkommen egal, die Anbetung des Geldes, die in der Schweiz ja Konsens, Grundlage für alles, Motor, ganzer Sinn und einzige Religion ist (neben Kokain, linksradikal daherreden und Grafiker sein, klar) — es könnte ihm egaler nicht sein, er will paar Bierchen trinken, eine rauchen, paar abgeklärte Sprüche klopfen, sich kaputtlachen, lass gut sein, they just don‘t care. Wunderbar.

9-Uhr-Anruf draußen im Wald.
Acht Grad, es taut, aber die Wege im Wald sind immer noch vereist.
Der Termin mit Architektin, Schreiner und Statiker kann auf nächste Woche verlegt werden, gut.

Und: Nachbearbeitung der Poschardt-Meldung von Freitag vergangener Woche: Du lieber Himmel, da war ganz schön was los hier — das Diagramm auf dem Dashboard des World Press Providers machte einen Riesenhaken nach oben (wenn sonst 500 bis 1.000 Leute täglich meine rührenden Meldungen anklicken, so waren es diesem Freitag um die 8.000 Leserinnen und Leser), Freunde, Nichtfreunde, ehemalige Bild-Zeitungs-Redakteure, der ehemalige Hanser-Verleger, das Nachtleben, das Theater, viele und beinahe alle wollten noch etwas dazu sagen.

Und ich dachte übers Wochenende, und heute denke ich es auch noch mal: Wenn ich alten Freunden und ehemaligen Mitstreitern so voll fest und herrlich brutal (Adam Soboczynski) eins auf die Nase gebe, wie sieht es denn bei mir eigentlich mit der so genannten Selbstkritik aus? Könnten Sie sich vielleicht auch mal selbst so präzise und erbarmungslos auseinandernehmen und sich selbst hinrichten?

Und die Antwort lautet: Nein, dass geht leider nicht, Selbstkritik war nie möglich, das ist nur etwas für ganz fiese und maximal verlogene Frösche. Und, da muss Ulf jetzt nicht groß traurig sein: Alle kriegen auf die Fresse, nicht nur die, die unerträglichen Unsinn reden und tief im Spinnennetz des internationalen, rechtsradikalen Bro-Tum Thiel-Musk-Döpfner verheddert sind. Auch wir hier, ganz genau: der einzige Redakteur von Deutschland unabhängigster Plattform, der Ein-Mann-Tageszeitung MadW, kriegt auf die Fresse — keine Sorge, das ist Entertainment, das ist Öffentlichkeit, da kann man die Uhr nach stellen. Das: passiert ja gerechterweise immer auch.

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